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Sand unter der Fußmatte zur Kontrolle, ob die neu zugezogene Familie das Treppenhaus ordentlich reinigt. Das ist einer der Streitfälle, die Helmut Thyssen sogleich einfallen, wenn er an seine langjährige Amtszeit als Schiedsmann zurück denkt. In den letzten 43 Jahren war der 75-Jährige für das außergerichtliche Schlichten von straf- und zivilrechtlichen Konflikten in Aachen-Süd zuständig. In dieser Zeit hat er nach eigener Schätzung 1.300 bis 1.400 Schlichtungsfälle bearbeitet. Seine Erfolgsquote: in 70 % der Fälle erreichte er eine Einigung. Jetzt legt er sein Amt nieder.

Foto: Helmut Thyssen/Stadt Aachen

Als Schiedsperson gehe es nicht darum zu richten, sondern zu schlichten, erklärt Thyssen. Als neutrale Person vermittelt sie zwischen den streitenden Parteien und sucht im Gespräch mit allen Beteiligten gemeinsam nach einer Lösung, mit der alle einverstanden sind. Einen Schlichtungsversuch unternehmen Thyssen und seine Kollegen bei zivilrechtlichen Konflikten wie Nachbarschaftsstreitigkeiten oder „Ehrverletzungen“, sprich Beleidigungen. Außerdem schlichten sie in strafrechtlichen Fällen, zum Beispiel bei Verletzung des Briefgeheimnisses, Körperverletzung und Sachbeschädigung, in denen laut Staatsanwaltschaft kein öffentliches Interesse besteht.

Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2001 arbeitete Thyssen als Behindertenbeauftragter im Sozialamt der Stadt Aachen. Sein Ehrenamt als Schiedsmann führte er auch darüber hinaus weiter. Vor der Pensionierung schlichtete er die Schiedsfälle in seinem Büro im Sozialamt, danach richtete er bei sich zu Hause einen Arbeitsplatz dafür ein. Die häusliche Atmosphäre hilft die Gemüter zu beruhigen: „Bei manchen Gesprächen kochen die Emotionen hoch. Wenn es zu laut wurde, erinnerte ich die Streitenden daran, dass sie zu Gast bei mir zu Hause waren“, erzählt Thyssen.

Inzwischen hat die Anzahl der Schlichtungsfälle merklich nachgelassen. Als Helmut Thyssen seine Arbeit als Schiedsmann begann, gab es 60 bis 80 Fälle im Jahr. Heute sind es meist nur noch rund 10 Fälle pro Jahr. Denn obwohl das Schiedsgespräch eine vergleichsweise schnelle und kostengünstige Alternative zu langwierigen Rechtsklagen ist und viele Menschen zufrieden mit dem Ergebnis nach Hause gehen, sei das Schiedsamt doch sehr unbekannt, bedauert Thyssen.

Ein Schiedsmann oder eine Schiedsfrau wird immer für fünf Jahre von der jeweiligen Bezirksverwaltung ernannt. Aufgrund seines Alters stellt sich Thyssen diesmal nicht zur Wahl. Nach 43 Jahren Amtszeit sieht er es an der Zeit, Platz für jemand neuen zu machen. Gemeinsam mit dem Rechtsamt der Stadt sucht er nach einem potentiellen Nachfolger, der dann als Kandidat zur Wahl vorgeschlagen wird. Danach möchte Thyssen seinem Nachfolger helfen, sich ins Amt einzufinden. Er wird mit den Formalitäten helfen und ihr oder ihm beim ersten Fall beratend zur Seite stehen.

Sein Fazit nach 43 Jahren als Schiedsmann: „Es hat mir immer Freude gemacht – besonders natürlich dann, wenn beide Parteien zufrieden und befriedigt hier herausgegangen sind.“ Auf die Frage hin, ob ihm in Zukunft nicht langweilig werden wird, lacht er nur. Bei ihm komme keine Langeweile auf, dafür sorgen schon seine weiteren ehrenamtlichen Tätigkeiten: in der Lebenshilfe und in der Stiftung für Hörgeschädigte.