RWTH

Die Stromsysteme in Europa haben sich innerhalb der letzte 20 Jahre dramatisch verändert. Verteilte, erneuerbare Energiequellen wie Wind oder Solarenergie gewannen an Bedeutung, neue Möglichkeiten der Energienutzung wurden entwickelt. Herausforderungen stellen sich auch durch die Entwicklungen der Elektromobilität. Zum Jahresbeginn fiel der Startschuss für das Projekt Interflex – es befasst sich mit intelligenten Stromnetzen, den sogenannten Smart Grids. Ausgewählt wurde es von der Europäischen Kommission aus 28 Projekten im Rahmen von Horizon 2020, eines der größten EU-Forschungs- und Innovationsprogramme.

Die RWTH Aachen hat die Federführung, im Fokus stehen die Interoperabilität der Systeme, die Reproduzierbarkeit der Lösungen und die sich daraus ergebenden Geschäftsmodelle. 20 Partner aus Forschung und Industrie – Versorgungsunternehmen, Hersteller, Forschungseinrichtungen – kooperieren in dem mit 23 Millionen Euro dotierten Projekt. Es zielt darauf ab, Smart-Grid-Technologien im industriellen Maßstab anzuwenden, um die Marktfähigkeit erneuerbarer Energien zu erhöhen.

Auftakt Ende Januar in Nizza

Interflex bringt Stromlieferanten, Hersteller von Leistungskomponenten, Smart-Grid-Experten und die Netzdienstleister ČEZ Distribuce (Tschechien), Enedis (Frank-reich), E.ON (Schweden), Enexis (Niederlande) und Avacon (Deutschland) zusam-men. Drei Jahre lang werden die 20 Partner Wege der Flexibilisierung untersuchen, um die Stromversorgung auf lokaler Ebene zu optimieren. Der feierliche Projek-tauftakt findet am 26. Januar 2017 in Nizza statt.

Bereits heute wird Strom aus erneuerbaren Energien in das Netz eingespeist. Zu-dem werden in den kommenden Jahren in Europa Millionen von Ladestationen für Elekrofahrzeuge eingerichtet, was Anpassungen des Verteilnetzes erfordert. Es muss in der Lage sein, sich rasch ändernden Stromflüssen anzupassen. Um die dazu notwendigen Investitionen zu minimieren, sind die Netzbetreiber gefordert, lokale Lösungen zu entwickeln. Es ist zu erforschen, wie die Energieflüsse vom und ins Netz flexibel zu steuern sind. Denkbar ist, dass Konsumenten ihren Stromverbrauch zu Zeiten der Spitzenlast senken, oder dass Speichersysteme nur dann aufgeladen werden, wenn ein hohes Angebot erneuerbarer Energien zur Verfügung steht.

Im Rahmen des Projekts werden in den kommenden drei Jahren die Interaktion und die Flexibilität der Teilnehmer am Strommarkt und des Verteilnetzes analysiert. Inter-flex nimmt insbesondere die Bereiche Energiespeicherung, Elektrofahrzeuge, Last-steuerung durch Verbraucher, Inselbildung, Netzautomatisierung und Integration verschiedener Energieträger wie Gas, Wärme und Elektrizität in den Blick.

Strom am Erzeugungsort nutzen

Enedis und die technische Leitung von Č EZ Distribuce haben die Federführung bei der Erarbeitung von Anwendungsfällen und koordinieren die Zusammenarbeit der Verteilnetzbetreiber auf europäischer Ebene. In Frankreich betreibt Enedis ein Demonstrationsprojekt in Nizza zur Untersuchung von Flexibilität zur Optimierung des Netzes, der Speichersysteme und des Inselbetriebs. Unter der Regie von ČEZ Distribuce nutzt das tschechische Demonstrationsprojekt die Netzautomatisierung und Energiespeicherung für die Integration dezentraler, erneuerbarer Energien in das Verteilnetz. Im Sinne der Flexibilisierung entwickelt es intelligente Funktionen für E-Ladestationen.

Das deutsche Vorhaben der Firma Avacon nutzt eine zentralisierte Plattform im ländlichen Raum zur Betrachtung der Nutzung von Flexibilität und verteilter Energieressourcen, um Strom am Erzeugungsort zu nutzen und somit das Verteilnetz zu entlasten. Ein erster E.ON-Demonstrator in Malmö untersucht die Integration von Energieträgern. Hier wird die Wärmeträgheit von Gebäuden als Flexibilitätsquelle für eine optimierte, umweltfreundliche Stromproduktion eines verteilten Energiesystems genutzt. Ein zweites E.ON-Projekt in der Provinz Skåne in Schweden verfolgt eine „peer-to-peer“-Ansatz für den Inselbetrieb eines Teils des Verteilnetzes. Dabei steht der Nutzen erhöhter Kontrolle lokaler Energiesysteme für die Netzbetreiber im Blickpunkt. Das von ENEXIS geleitete Demonstrationsprojekt in Eindhoven verfolgt einen Multi-Service-Ansatz, um sämtliche lokal verfügbare Flexibilität wie stationäre Speicher und Batterien von Elektrofahrzeugen unter Einbezug aller beteiligten Akteure wie Netzbetreiber und Betreiber von La-destationen nutzbar zu machen.