RWTH

Die Geschichte der frühneuzeitlichen Diplomatie ist ein aktuelles Forschungsthema in den Geschichtswissenschaften. Mit einem neuen, wissensgeschichtlichen Zugang lenkte das Historische Institut der RWTH Aachen den Blick der internationalen Fachwelt auf die spezifischen Kulturen des Berichtens und bot dazu eine dreitägige Konferenz an. Die Resonanz von Historikern wie Sprach- und Literaturwissenschaftlern aus sechs europäischen Ländern auf die Tagung „Wissen und Berichten“ war rege. 15 Referentinnen und Referenten und eine große Zahl interessierter Zuhörer diskutierten intensiv über die Berichtspraxis der Diplomaten in Deutschland, England, Schweden oder dem Osmanischen Reich zu unterschiedlichen Anlässen – etwa dem Westfälischen Friedenskongress, dem Spanischen Erbfolgekrieg oder während der Reformation. Behandelt wurden beispielsweise folgende Fragen: Wie kam das Wissen von einem Ort zu anderen? Welche Bedeutung hatten unterschiedliche Berichtsformen wie Diarien oder Relationen und wie wurden diese von den Herrscherinnen und Herrschern genutzt? Welche Rolle spielten Rang oder soziale Prägung der Gesandten für die Berichterstattung?

Foto: Andreas Schmitter / Die RWTH-Historiker Dr. Thomas Dorfner, Professorin Christine Roll und Dr. Thomas Kirchner organisierten die Tagung zur frühzeitlichen Diplomatie (v.l.).

Die Dekanin der Philosophischen Fakultät und Professorin für Geschichte der Frühen Neuzeit, Christine Roll, zog nach der Tagung ein positives Fazit. „Unser innovativer, wissensgeschichtlicher Zugang hat den Nerv der Fachleute getroffen.“ Die intensive Auseinandersetzung mit der Berichtspraxis habe nicht nur Antworten geliefert, sondern neue Fragen aufgeworfen, die nun auch in Aachen erforscht werden können. Beispielsweise der Bereich interkulturelle Diplomatie, hier vor allem die Betrachtung der Unterschiede zwischen Europa und dem Osmanischen Reich sowie der Umgang mit einer fremden Kultur.

Sprachliche und kulturelle Unterschiede sind ein Aspekt der wissenschaftlichen Betrachtung, die Deutung von fremden Gesten, Praktiken und Institutionen ein anderer. Als Beispiel führte Professorin Roll das russische Gesandtschaftsamt in Moskau an. In vielen Berichten werde es als „Außenministerium“ übersetzt, dabei sei es eine eigenständige Einrichtung mit einem Kanzler an der Spitze gewesen. „Die Texte müssen von uns genauer gelesen werden“, betont die Aachener Historikerin.

Insgesamt habe die Tagung dazu beigetragen, Quellen einerseits genauer und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, andererseits haben sich die Historikerinnen und -Historiker aus Deutschland, Italien, Österreich, den Niederlanden, Polen und Schweden vernetzt und begonnen, gemeinsam zu forschen. In Aachen soll dieses Wissen genutzt werden, um auch künftig neue geschichtswissenschaftliche Beiträge zur Geschichte der Diplomatie zu liefern.