Alles rund um Aachen

Die Berliner Autorin Jenny Erpenbeck erhält den mit 20 000 Euro dotierten Walter Hasenclever-Literaturpreis der Stadt Aachen 2016. Damit gibt die Walter-Hasenclever-Gesellschaft der neuen, engagierten deutschen Literatur ein Gesicht. Dies gab Dr. Barbara Schommers-Kretschmer, Vorsitzende der Walter-Hasenclever-Gesellschaft, heute bekannt. Die Verleihung des Walter Hasenclever-Literaturpreises findet am 6. November in Aachen statt. Die Jury würdigt mit dem Preis die politische Zivilcourage der 1967 geborenen Preisträgerin, mit der Jenny Erpenbeck sich aktuellen Problemen unserer Zeit stellt. Sie widmet sich dem Erzählen von „Abschied und Neuanfang“ und beantwortet die Frage nach dem Wende-Roman, als Roman notwendiger Veränderung, bei jeder Veröffentlichung - im Spektrum von Trauer und Trost in der Sprache - neu.

Foto: © KatharinaBehling

„Gehen, ging, gegangen“
Jenny Erpenbeck wendet sich unmittelbar und konkret den heutigen Flüchtlingen in Deutschland zu, gibt diesen eine Stimme. Sie nutzt dabei eindrucksvoll und virtuos das Mittel des Romans, um die Leser in die Zeitgeschichte einzubeziehen. Von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft über das Gewaltsystem der Stasi in der DDR als zentrale Themen ihres Werks bis hin zu den unhaltbaren Bedingungen der Flüchtlinge heute im aktuellen Roman. „Gehen, ging, gegangen“, erschien Ende August 2015 und ist die konsequente Zuwendung zur Frage unserer Zeit, die Hannah Arendt  bereits 1943 mit ihrem Essay „Wir Flüchtlinge“ als bis heute gültige Anfrage an Deutschland formulierte.

Das Alltagsleben wird in Frage gestellt
„Jenny Erpenbeck bringt uns diese Menschen berührend nahe, stellt dabei unser Alltagsleben in Frage und plädiert für ein respektvolles Miteinander zum unbedingten Vorteil aller“, bestätigt die Jury-Vorsitzende Dr. Barbara Schommers-Kretschmer entsprechend.

In seiner jetzigen Form existiert der Walter-Hasenclever-Preis seit 1996. Bisherige Preisträger waren Peter Rühmkorf (1996), George Tabori (1998), Oskar Pastior (2000), Marlene Streeruwitz (2002), F. C. Delius (2004), Herta Müller (2006), Christoph Hein (2008), Ralf Rothmann (2010), Michael Lentz (2012) sowie Michael Köhlmeier (2014). Der Preis wird getragen von der Walter-Hasenclever-Gesellschaft, dem Einhard-Gymnasium - der ehemaligen Schule Hasenclevers -, dem Aachener Buchhandel und der Stadt Aachen. Dem Kuratorium gehört auch ein Vertreter des Deutschen Literaturarchivs in Marbach an, das den Nachlass Hasenclevers pflegt und sich als Hauptträger am Preis beteiligt.

Als Regimekritiker flüchtete Hasenclever ins Exil
Walter Hasenclever wurde am 8. Juli 1890 in Aachen geboren. Er starb am 21. Juni 1940 in einem südfranzösischen Internierungslager. Sein lyrisches Werk sowie sein 1916 uraufgeführtes Drama  „Der Sohn“ machten ihn zu einem Exponenten des literarischen Expressionismus. 1917 erhielt er den Kleist-Preis, von 1924 bis 1930 lebte er als Journalist in Paris. Während dieser Zeit verfasste er eine Reihe von Schauspielen. Zeitweise avancierte er zum meist gespielten Dramatiker des deutschen Sprachraumes. 1930 arbeitete Hasenclever als Drehbuchautor Greta Garbos in Hollywood. 1933 wurden seine Werke in Deutschland verboten. Als Regimekritiker auch physisch gefährdet, flüchtete er ins Exil, wo er angesichts der deutschen Kriegserfolge den Freitod wählte.