Alles rund um Aachen

Aus welcher Zeit stammen die Skelette, die vor gut einem Jahr an der archäologischen Ausgrabungsstätte am Hof gefunden wurden? Ist die eher geringe Zahl an Funden aus merowingischer Zeit mit einem Bevölkerungsrückgang im 6. und 7. Jahrhundert zu erklären? Gab es in der Mitte des 4. Jahrhunderts bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen in Aachen? Auf viele dieser Fragen haben Historiker und Archäologen noch keine eindeutige Antwort gefunden. Die archäologischen Ausgrabungen im Zusammenhang mit der Erneuerung des Kanals durch die STAWAG am Hof können jedoch wichtige Erkenntnisse vermitteln, auch im Hinblick auf die Einordnung früherer Funde in diesem Bereich.

Foto: Bernd Müller

von links nach rechts: Andreas Schaub, Stadtarchäologe, Maya Stremke, Grabungsleiterin der Baumaßnahme am Hof, und Planungsdezernent Werner Wingenfeld, bei der Präsentation von archäologischen Funden im Centre Charlemagne

Beispielsweise konnten zu einer Keramik, die bereits in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts an dieser Stelle entdeckt wurde, bei der jetzigen Ausgrabung zwei weitere passende Teile gefunden werden. „Das ist für uns Archäologen wie ein Sechser im Lotto“, erklärt Stadtarchäologe Andreas Schaub heute auf einer Pressekonferenz im Centre Charlemagne aus Anlass eines Expertengesprächs unter Archäologen, das heute in Aachen stattfand. Damit lasse sich die Keramik noch besser datieren, als es in früheren Zeiten möglich gewesen wäre.

Vor 50 Jahren gingen Archäologen nur von zwei verschiedenen Schichten aus, die sich in einer Grabungstiefe von zwei Metern finden ließen. Heute differenziert man zwischen 15 verschiedenen Zeitabschnitten in derselben Tiefe, so Schaub. „Archäologen möchten den Boden am liebsten unangetastet lassen“, erklärte Planungsdezernent Werner Wingenfeld. Unvermeidliche Baumaßnahmen wie die Erneuerung des 120 Jahre alten Abwasser-Kanals müssen daher durch Archäologen begleitet und dokumentiert werden – eine gesetzliche Vorschrift.

Interesse an Aachens Geschichte ist sehr groß
„Bürgerinnen und Bürger sind an der Geschichte ihrer eigenen Stadt sehr interessiert“, sagte Werner Wingenfeld. Das zeigen auch die Erfolge der Karlsausstellung (2014) und der Ausstellung „Sprechende Knochen“ im Frühjahr und Sommer 2015. Aber auch in der Wissenschaft ist das Interesse an Aachen groß. „Die Ausgrabungen stoßen europaweit auf größten Zuspruch. Die Funde am Hof haben das Wissen um die Stadtgeschichte deutlich vermehrt“, erklärte Frank Pohle, neuer Leiter der Route Charlemagne, ehemals Professor für Geschichte und Kultur der Region Maas/Rhein an der RWTH Aachen.

„Die Archäologie in Aachen hat in den letzten Jahren  eine sehr positive Entwicklung genommen“, so Prof. Dr. Michael Schmauder, Abteilungsleiter Bestandpflege und Sammlungserschließung beim LVR-Landesmuseum in Bonn. „Hier wird mit großem Engagement gegraben und ausgewertet. Aachen war eine der wenigen frühmittelalterlichen Metropolen Europas, ein Zentrum der Macht. Es ist also eine außergewöhnliche Situation, die wir hier vorfinden“, so Schmauder. Das Material am Hof sage viel über eine Zeit in Aachen aus, über die man bisher wenig wisse – die der Frankenkönige Childerich I. (gestorben etwa 481) und seines Sohnes Chlodwig I. (466-511). „Für Aachen war das eine wichtige und unglaublich spannende Zeit“, so Schmauder.

Mulde am Hof
An der Ausgrabungsstätte am Hof seien drei weitere Skelette gefunden worden, auch Reste von Wandmalereien, erläuterte Andreas Schaub. Die römischen Steinbauten seien bis ins Hochmittelalter weiter verwendet und erst dann abgebrochen worden. Über die Sozialstruktur in Aachens Vergangenheit  ließen sich durch die Funde aber derzeit nur wenige Aussagen treffen, sagte Schaub.

Ebenfalls am Hof wurden zwei jeweils rund 350 Kilogramm schwere, verzierte  Sandsteinblöcke als Bestandteil der Arkadenwand eines römischen Forums gefunden sowie ein geschnittener Stein als Einlage eines Siegelrings, der den Gott des guten Gelingens – bonus eventus – zeigt.

Am Hof sei durch eine Mulde, die vermutlich in spätantiker Zeit aufgefüllt wurde, eine besondere Situation entstanden. Die Römer zur Zeit von Kaiser Augustus (63 v. Chr. – 14 n.Chr.) seien aus heutiger Sicht in einer Tiefe von sieben Metern gelaufen. 300 Jahre später lag der Erdboden bereits zwei Meter höher. An der STAWAG-Baustelle an der Jakobstraße Ecke Klappergasse sei die Situation eine andere, so Schaub. „Die Kooperation mit der STAWAG ist hervorragend“, sagte der Stadtarchäologe.