Forschende aus Aachen und Bonn klären Rolle einzelner Hirn-Nervenzellen bei menschlicher Geruchswahrnehmung Wie wichtig der Geruchssinn ist, werden wir uns oft erst bewusst, wenn er nicht mehr da ist: Das Essen schmeckt kaum noch, oder auf Gefahren wie Brandgeruch wird nicht mehr reagiert.
Forschende der RWTH Aachen, der Universität Bonn und des Universitätsklinikums Bonn (UKB) untersuchten erstmals die neuronalen Mechanismen der menschlichen Geruchswahrnehmung. Die Ergebnisse dieser Studie schließen eine lange bestehende Wissenslücke zwischen tierexperimenteller und menschlicher Geruchsforschung und wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.
Individuelle Nervenzellen im Gehirn erkennen Gerüche und reagieren spezifisch auf den Duft, das Bild und das geschriebene Wort eines Objektes, beispielsweise einer Banane. Welche Regionen des menschlichen Gehirns an der Geruchswahrnehmung beteiligt sind, konnte anhand von bildgebenden Verfahren wie der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) bereits gezeigt werden. Diese Methoden erlauben es jedoch nicht, den Geruchssinn auf der grundlegenden Ebene einzelner Nervenzellen zu untersuchen. Einem Forschungsteam um Professor Marc Spehr vom Lehrstuhl für Chemosensorik der RWTH und Professor Florian Mormann von der Klinik für Epileptologie am UKB gelang es jetzt erstmals, die Aktivität individueller Nervenzellen während des Riechens aufzuzeichnen. „Wir entdeckten, dass einzelne Nervenzellen im menschlichen Gehirn auf Gerüche reagieren. Anhand deren Aktivität konnten wir präzise vorhersagen, welcher Duft gerade gerochen wird“, sagt Erstautor Marcel Kehl, Doktorand der Universität Bonn. Die Messungen zeigten, dass unterschiedliche Hirnregionen wie die primäre Riechrinde, die Amygdala, der Hippocampus und der entorhinale Kortex an spezifischen Aufgaben beteiligt sind. Während die Aktivität der Nervenzellen in der Riechrinde am genauesten vorhersagte, welcher Duft gerochen wurde, konnte die Nervenaktivität im Hippocampus vorhersagen, ob Düfte richtig identifiziert wurden. Ausschließlich Nervenzellen in der Amygdala, die an emotionalen Prozessen beteiligt ist, reagierten unterschiedlich, je nachdem, ob ein Duft als angenehm oder unangenehm empfunden wurde.
In einem nächsten Schritt untersuchten die Forschenden den Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung von Düften und Bildern. Dabei stellten sie fest, dass Nervenzellen in der primären Riechrinde nicht nur auf Düfte reagierten, sondern auch auf Bilder. „Dies legt nahe, dass die Aufgabe der menschlichen Riechrinde weit über die reine Wahrnehmung von Düften hinausgeht“, erklärt Professor Marc Spehr.
Die Forschenden entdeckten einzelne Nervenzellen, welche spezifisch auf den Duft, das Bild und das geschriebene Wort, beispielsweise der Banane, reagierten. Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass schon früh in der menschlichen Geruchsverarbeitung semantische Informationen verarbeitet werden. Die Resultate bestätigen nicht nur Jahrzehnte von Tierstudien, sondern zeigen auch, wie unterschiedliche Hirnregionen bei spezifisch menschlichen Funktionen der Geruchsverarbeitung mitwirken. „Dies ist ein wichtiger Beitrag auf dem Weg zur Entschlüsselung des menschlichen olfaktorischen Codes“, sagt Co-Korrespondenzautor Professor Florian Mormann vom UKB, der auch ein Mitglied in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn ist. „Weitere Forschung auf diesem Gebiet ist notwendig, um eines Tages Riechhilfen zu entwickeln, die wir im Alltag so selbstverständlich nutzen können wie Brillen oder Hörgeräte.“
DOI: 10.1038/s41586-024-08016-5