Alles rund um Aachen

Ein Erfolgsmodell für das ganze Land: Von jeher gilt: Im Notfall kommt es auf jede Sekunde an. Das wissen Prof. Dr. Stefan Beckers und seine vielen Kolleg*innen im städtischen Rettungsdient nur zu gut. Der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes der Stadt Aachen war von Beginn an im Boot, als vor zehn Jahren – genau am 1. April 2014 – der Telenotarzt in Aachen an den Start ging.

Wiederum knapp zehn Jahre zuvor hatte Prof. Dr. Rolf Rossaint, Direktor der Klinik für Anästhesiologie am Uniklinikum Aachen (UKA), die Idee und setzte diese zusammen mit verschiedenen Instituten der RWTH in geförderten wissenschaftlichen Pilotprojekten um. Mit dem Telenotarzt betrat man nicht nur im Westzipfel der Republik, sondern sogar weltweit Neuland. Schnell wurde nach der Einführung in den Alltag der Notfallversorgung in der Stadt Aachen allen klar: Der Telenotarzt ist ein Erfolgsmodell! Und so wundert es nicht, dass die Verantwortlichen von Stadt und Uniklinik nach einem Jahrzehnt praktiziertem Telenotarzt eine rundum positive Bilanz ziehen.

„Der Telenotarzt rettet Leben."
Seit den Anfangstagen viel passiert. Das Aachener Telenotarztmodell ist längst deutschlandweit gefragt. Mittlerweile ist eine Etablierung in 15 von 16 Bundesländern auf dem Weg. In Aachen blicken die Expert*innen auf inzwischen über 45.000 Einsätze seit 2014 zurück. „Der Telenotarzt wurde hier bei uns in Aachen sehr schnell angenommen. Eine anfängliche Skepsis, die es sowohl bei Patienten wie auch bei den Einsatzkräften im Rettungswesen durchaus gab, ist längst verflogen und einer tiefen Überzeugung gewichen. Nämlich der, dass der Telenotarzt das bestehende Rettungssystem perfekt ergänzt und insgesamt zukunftsfähig macht", sagte Beckers beim Pressetermin anlässlich des Jubiläums am Montag, 29. April, gemeinsam mit Dr. Markus Kremer (städtischer Beigeordneter für Personal, Feuerwehr und Sport) sowie Andreas Bierfert (Leiter des Fachbereichs Feuerwehr und Rettungsdienst der Stadt Aachen ) Für Feuerwehr-Dezernent Kremer ist der zehnte Geburtstag ein ausgezeichneter Moment, um die Erfolgsstory made in Aachen zu würdigen: „Damals haben Menschen mit Innovationsgeist und großer Praxiserfahrung gemeinsam die richtigen Entscheidungen getroffen. Heute wissen wir: Der Telenotarzt hilft dabei, Menschen schnell, effizient und höchstprofessionell zu helfen. Er rettet Leben. Wir sind stolz darauf, dass wir auf diesem Feld Pionierarbeit leisten durften, von dem heute viele Menschen im ganzen Land profitieren."

So funktioniert der Telenotarzt
Doch zurück zum Anfang: Es kommt zum Notfall. Im Optimalfall wählt jemand direkt die 112, ruft klassisch einen „Krankenwagen". Wenige Minuten später rückt der RTW – wie der Rettungswagen in Fachkreisen abgekürzt wird – an. Welche Verletzungen oder akuten Erkrankungen liegen beim Patienten vor? Welche direkte Diagnose führt zur bestmöglichen Behandlung? In Sekundenschnelle müssen überlebenswichtige Fragen beantwortet werden. Die Besatzung des Rettungswagens kann im Stadtgebiet Aachen jederzeit einen hochqualifizierten Telenotarzt beziehungsweise eine Telenotärztin zur Einsatzunterstützung konsultieren. Denn über modernste Telekommunikations- und Diagnosetechnik kann der Notarzt aus der Zentrale heraus den Einsatz des Rettungsdienst-Teams vor Ort begleiten. Die Vorteile liegen auf der Hand: „Wenn wir das System nicht hätten, müssten wir weitere Notarzt-Fahrzeuge in Dienst nehmen und dann logischerweise auch den zusätzlichen Notarzt bezahlen", erläutert Andreas Bierfert. Das ausgeklügelte System hilft also nicht nur dabei, die Kosten für notfallmedizinische Einsätze im Rahmen zu halten, es hilft auch dabei, die Expertise vor Ort für Patient*innen zu erhöhen – und das unmittelbar. Denn es verstreichen keine wertvollen Sekunden, bis der ansonsten erst zusätzlich herbeigerufene Notarzt eingetroffen ist. Sollte die physische Anwesenheit eines Notarztes trotzdem erforderlich sein, ist dies natürlich auch weiterhin möglich, betont Stefan Beckers.

Prof. Dr. Rolf Rossaint Direktor der Klinik der Anästhesiologie, Uniklinik Aachen, sieht ebenfalls viele Vorteile für die Krankenhäuser durch die Erstversorgung der Patient*innen durch Telenotärzt*innen: „Auch die Kliniken profitieren davon – sei es durch die Vermeidung unnötiger Einweisungen oder auch durch adäquate Erstversorgung der Notfallpatienten noch vor Aufnahme in der Klinik."

Fachleute informieren sich in Aachen
Anlässlich des Jubiläums fand jüngst ein Online-Symposium statt, in dessen Rahmen sich 250 Fachleute aus der ganzen Republik zum Thema austauschten und künftige Entwicklungspotenziale erörterten. Unterdessen etablieren immer mehr Kommunen und Landkreise das Telenotarzt-Modell. Das im Jahr 2019 gegründete Aachener Institut für Rettungsmedizin und zivile Sicherheit (ARS) unterstützt viele Kommunen im Land bei der Einführung des Systems, nachdem das NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Februar 2020 verkündet hatte, Telenotarzt-Systeme in ganz Nordrhein-Westfalen zu etablieren. Geplant sind am Ende elf Telenotarztstandorte.

An folgenden Standorten sind bereits Telenotarzt-Zentralen in Betrieb: Aachen, Berlin, Bielefeld, Gelnhausen (Main-Kinzig-Kreis), Gießen, Goslar, Greifswald, Ludwigshafen, Marburg.
Folgenden Standorte stehen kurz vor Aufnahme des Betriebs:
Münster, Paderborn, Pinneberg, Saarbrücken, Straubing.

Weitere Infos
Im April 2014 ging das System – entwickelt von P3 telehealthcare (heute Umlaut GmbH) in Kooperation mit der Uniklinik und Instituten der RWTH Aachen – an den Start. Das System hat sich seitdem bewährt. Eine weitere Besonderheit: Der Telenotarzt, der in der Leitstelle an der Stolberger Straße in Aachen sitzt, kann sich über Bildschirme sogar um mehrere Einsätze nahezu parallel kümmern. Das angestrebte Ziel geht auf: Ärzte können gezielter eingesetzt werden, die direkte Versorgung wird verbessert und gleichzeitig können die Kosten besser im Rahmen gehalten werden.