Alles rund um Aachen

... für die Aachener Innenstadt aus. Die Stimmung an diesem Abend war ein wenig wie im Kino: Dutzende Gesichter blickten im nahezu vollen Saal erwartungsvoll auf die elf Bürger*innen, die als Vertreter*innen des ersten Aachener Bürger*innenrates im Suermondt-Ludwig-Museum auf der Bühne saßen, um aus ihrer Erfahrung der vergangenen zwei Monate zu berichten.

In dieser Zeit haben sie Empfehlungen an Stadtverwaltung und Politik formuliert, wie Aachens Innenstadt wieder ein attraktives Einkaufsziel werden kann. „Wir sind also der Schnitt der Aachener Bevölkerung", stellte Hanna Steinhauer als eine von elf Vertreter*innen in ihrer Einführungsrede fest. Tatsächlich sind die Mitglieder des Bürger*innenrates genau das: 56 repräsentativ ausgewählte Bürger*innen der Stadt Aachen.

An diesem Abend aber waren sie mehr als das. Dem Publikum traten sie als Repräsentant*innen der Aachener Bevölkerung entgegen. Im Namen des ersten ständigen Bürger*innenrats Deutschlands haben sie am vergangenen Dienstagabend (12. Dezember 2023) die Ergebnisse ihrer Arbeit vorgestellt. „Der Aachener Bürger*innenrat kommt als wirkungsvolles Instrument der demokratischen Teilhabe zum richtigen Zeitpunkt", sagte Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen zu Beginn der Konferenz. „Denn, wie viele Kommunen, befindet sich auch Aachen im Wandel, den möglichst viele Menschen mitgestalten sollen." Der Anspruch des Rates ist, ein Abbild der unterschiedlichen Perspektiven der Aachener Bürger*innen zu schaffen, das die Vielfalt annähernd widerspiegelt. Bei der Konferenz informierte der Bürger*innenrat zunächst die Öffentlichkeit über die Ergebnisse, bevor sie Anfang 2024 im Stadtrat beratschlagt werden. Alle Empfehlungen des Bürger*innenrats sind auf der Webseite unter www.aachen.de/buerger_innenrat veröffentlicht.

Jenseits von Bürokratie und eingefahrenen Mustern

Begonnen hat alles im Juli, da flatterte ein offizielles Schreiben der Stadt Aachen in die Briefkästen von 3500 Aachener Bürger*innen. Eine von ihnen ist auch Hanna Steinhauer. „Wieso schreibt mir die Stadt? Hab' ich was angestellt?", erinnerte sie sich verwundert. Es war ihre Einladung, in den Bürger*innenrat einzutreten. Per Zufallsauswahl wurden 2500 Aachener*innen per Auszug aus dem Melderegister ausgewählt und 1000 weitere Menschen gezielt aus Lebensräumen, die besondere Herausforderungen haben und schwer zu erreichen sind. 367 Aachener*innen meldeten zurück, sich in ihrer Freizeit mit der Fragestellung auseinandersetzen zu wollen. Von ihnen wurden nach statistischen Prinzipien letztlich 56 Personen auserkoren. „Da habe ich mich gefragt: Bin ich überhaupt qualifiziert genug?", erzählte Steinhauer auf der Bühne.

Irgendwann schob sie die Selbstzweifel beiseite. Liege nicht die Chance gerade darin, Menschen zu erreichen, die keine besondere Qualifikation mitbringen und sich sonst vielleicht nicht engagiert hätten? Im Namen des Bürger*innenrats erklärte Mitglied Lea Joepen dem Publikum, welche Rolle der Bürger*innenrat neben den professionellen Institutionen wie Stadtverwaltung und Stadtrat wahrnimmt. „Wir mögen alle keine Expert*innen sein, aber dafür hat jede*r einzelne von uns eine ganz eigene Vision von Aachen", sagte Joepen. „Unser vermeintlich naiver Blick auf Aachen ermöglicht, eingefahrene Muster zu hinterfragen und jenseits der bürokratischen und gesetzlichen Grenzen zu denken."

An drei Wochenenden im Oktober und November haben die 56 Repräsentant*innen in thematischen Arbeitsgruppen 75 Empfehlungen zu der Frage formuliert, wie Aachens Innenstadt wieder zu einem attraktiven Einkaufsziel werden kann. Der 24-jährige Student Julian Ertel erzählte, weshalb er teilgenommen hat: „Für mich ist der Bürger*innenrat eine Chance, meine Wünsche mitzuteilen und die passive Erwartungshaltung abzulegen, dass Verwaltung und Politik sich schon um unsere Stadt kümmern."

Im nächsten Schritt sind Politik und Verwaltung gefragt

Was beim ersten Lesen klar abgegrenzt klingt, stellte sich für den Bürger*innenrat schnell als komplexes Thema heraus, das nahezu alle Lebensbereiche betrifft und die Mitglieder dazu veranlasste, die Arbeit auf fünf Säulen aufzuteilen – Freizeit und Kultur, Mobilität, öffentliche Räume und Leerstand, Klima und Identität & Bottom-up. „Wir haben uns darauf konzentriert, Aachen nicht nur als Einkaufsziel, sondern als Ganzes wahrzunehmen", sagte Vertreter Jonathan Alms. „Aachen zum Einkaufen attraktiver zu machen bedeutet, Aachen insgesamt aufzuwerten."

Und dann, nach knapp einer Stunde Vorstellung, war das Publikum gefragt: Könnt ihr euch in den Empfehlungen des Bürger*innenrats wiederfinden? Die vielen Handzeichen machten deutlich: Ja, aber Fragen gab es zur Bedeutung des
Bürger*innenrats und der Umsetzbarkeit. Da verwies Mitglied Jonathan Alms auf das Selbstverständnis, mit dem die 56 Bürger*innen angetreten seien: „Unsere Aufgabe in der Auftaktrunde des Bürger*innenrats war es unter anderem, eine Vision von Aachen im Jahr 2038 auszumalen. Bis dahin bleibt noch Zeit, die es zu nutzen gilt." Julian Ertel verdeutlichte, dass es nun auf viele kleine Schritte ankomme: „Die Empfehlungen können nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Ich verspreche mir von dem Bürger*innenrat aber, dass ich irgendwann durch die Innenstadt laufe und sagen kann: Sieh mal, hier haben auch wir unseren Beitrag geleistet."

Eine treffende Zusammenfassung formulierte zum Abschluss des emotionalen Abends eine Bürgerin aus dem Publikum: „Unabhängig davon, wie viele der Empfehlungen letztlich umgesetzt werden – ich hoffe natürlich, dass es möglichst viele sind –, haben alle Teilnehmenden heute noch etwas Grundlegenderes unmittelbar erfahren: Zugehörigkeitsgefühl und lebendige Demokratie."

Die politischen Entscheidungsträger*innen sind nun aufgefordert, die Empfehlungen zu prüfen und, wenn möglich, auf den Weg der Umsetzung zu bringen. Am 16. Januar 2024, 18.00 Uhr, wird das Bürgerinnen*gutachten im Krönungssaal des Aachener Rathaus in einer öffentlichen Sitzung des Bürgerforums diskutiert, bevor es dann in den Rat der Stadt Aachen geht. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, die Veranstaltung zu besuchen.

Über das Beteiligungsportal der Stadt Aachen https://beteiligung.nrw.de/portal/aachen können bereits jetzt Vorschläge für eine Fragestellung eingereicht werden, über die der nächste Bürger*innenrat im Herbst 2024 diskutieren und seine Empfehlungen aussprechen wird.

Weitere Infos: www.aachen.de/buerger_innenrat