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Kritisch begutachten die Prüfer*innen Zentimeter für Zentimeter die Unterseite der neuen Brücke Turmstraße. An diesem kalten, verregneten Novembertag stehen sie auf der Arbeitsbühne des Zweiwegefahrzeuges im Gleisbereich der Deutschen Bahn und kontrollieren den Neubau.

Begonnen mit dem Abriss der maroden Brücke im Mai 2022 begann im Laufe des vergangenen Jahres der Neubau, im März 2023 konnten die Stahlträger aufgelegt werden. Nun stand am vergangenen Wochenende ein weiterer Meilenstein an: die H1-Prüfung, die erste Prüfung der Brücke vor der offiziellen Abnahme des Bauwerks.

Kleinere Schäden entdeckt
Alle Brücken unterliegen einer genormten Prüfpflicht, die alle sechs Jahre eine sogenannte Hauptprüfung für Bestandsbauwerke vorschreibt. Bei Neubauten findet die erste Hauptprüfung vor der Bauabnahme statt, um eventuelle Mängel frühzeitig festzustellen und noch vor der Übergabe des Bauwerkes nachbessern zu können. Eine Hauptprüfung ist sehr detailliert, es muss jeder einzelne Quadratmeter auf Schäden oder Abweichungen vom Soll untersucht werden. Hierfür kommen spezielle Besichtigungsgeräte zum Einsatz, beispielsweise Hubsteiger oder Arbeitsplattformen, die die Prüfer*innen auch an unzugängliche Stellen eines Bauwerkes bringt. Um die Brücke auch von unten prüfen zu können, war eine weitere Sperrpause der Deutschen Bahn notwendig.

Zwei Tage lang prüften Expert*innen des Ingenieurbüros Doser, Kempen Krause im Auftrag des Stadtbetriebs das Bauwerk. Unter anderem nutzen sie eine Rissbreitenkarte. Auf dieser sind verschieden breite Linien aufgedruckt, anhand derer abgelesen werden kann, wie breit der Riss ist – von unter einem Millimeter bis zu zwei Zentimetern. „Damit wurden kleinere Stellen vor Ort entdeckt, die nachgebessert werden müssen, beispielsweise Risse und Mängel am Korrosionsschutz", erklärt Gisela Weiß, Bereichsleiterin Straßenunterhaltung und Brückenbau des Stadtbetriebs. Diese Stellen sind aber überschaubar und können mit geringem Aufwand nachgearbeitet werden.

Anders sieht es auf der Oberseite der Brücke aus. Die H1-Prüfung hier steht noch aus, da wegen der schlechten Witterungsbedingungen der vergangenen Wochen nicht alle notwendigen Arbeiten ausgeführt werden konnten. „Das Wetter hat den Baufortschritt stark beeinträchtigt", sagt Gisela Weiß. Die Abdichtung der Oberfläche konnte noch nicht aufgebracht werden, da es hierzu zwingend trocken sein muss. Die Folgearbeiten an der Fahrbahnplatte und an den Kragarmen verzögern sich weiter, sodass die geplante Freigabe der Brücke auch für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen auf 2024 verschoben werden muss. Alle Beteiligten arbeiten mit Hochdruck daran, die Arbeiten schnellstmöglich fertigzustellen. Oberste Priorität ist jedoch, die Qualität der Ausführungen sicherzustellen.

Ausstehende Arbeiten sind witterungsabhängig
Weitere Sperrpausen der Deutschen Bahn sind nicht vorgesehen. Die zurückliegende Sperrpause wurde auch genutzt, um letzte Arbeiten im Gleisbereich vorzunehmen, Gerüste abzubauen, eine Böschungstreppe (Dienstweg) in den Gleisbereich anzulegen und Kabelarbeiten für die Gleise auszuführen. In den kommenden Wochen werden im weiteren Bauablauf die Gehwege mit dem über den Gleisanlagen notwendigen Berührungsschutz, Geländer und Beleuchtung, sowie die Nebenanlagen in den Anschlussbereichen fertiggestellt. Für den Bauablauf ist es notwendig, dass diese Arbeiten abgeschlossen sind, bevor die Fahrbahnfläche abschließend abgedichtet und asphaltiert werden kann. Alle diese Arbeiten sind witterungsabhängig.

Die eingerichtete und sehr gut angenommene Umleitungsstrecke für den motorisierten Verkehr bleibt bis zur Fertigstellung bestehen. Die Verzögerung der Fertigstellung hat nach den Berechnungen des beauftragten Aachener Ingenieurbüros für Stadt- und Verkehrsplanung (BSV) keine relevanten Auswirkungen auf den erhöhten Ausweichverkehr, der durch die anstehende Vollsperrung der Haarbachtalbrücke (A544) entstehen wird.