Alles rund um Aachen

Gutachten empfiehlt Schutzlücken zu schließen und Präventionsangebote auszubauen. Anonyme Spurensicherung wird eingeführt. Täglich gibt es in der StädteRegion Aachen bis zu drei Polizeieinsätze wegen häuslicher Gewalt. Betroffen sind hier in den meisten Fällen Frauen. Dazu kommt eine – wahrscheinlich sehr hohe – Dunkelziffer nicht angezeigter Taten. Wer Gewalt erfährt, braucht Hilfe und Beratung. Die Hilfs- und Präventionsangebote bei sexualisierter Gewalt in der StädteRegion Aachen zu stärken, war das Ziel des Fachtags „Schutz für von Gewalt betroffene Frauen" am 28. November.

Rund 100 Gäste waren der Einladung des Amtes für Inklusion und Sozialplanung der StädteRegion Aachen gefolgt. Für sie gab es viele Informationen und Raum für Austausch. Im Zentrum des Fachtags standen die Ergebnisse eines Gutachtens der Katholischen Hochschule Köln, das die StädteRegion Aachen beauftragt hat: „Die Studie zeigt, dass das Netzwerk in der Region gut aufgestellt ist. Es war uns aber auch wichtig zu wissen, wo es noch Lücken gibt und wo wir uns verbessern können", betont Dr. Michael Ziemons, Sozialdezernent der StädteRegion Aachen.

Der Fokus des Gutachtens liegt auf den Fachberatungsstellen, die aufgrund ihres niederschwelligen Angebots meist die erste Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt sind. Die Leiterin der Studie, Prof. Dr. Karla Verlinden von der Katholischen Hochschule Köln, stellte die Ergebnisse des Gutachtens vor. „Wir haben bei der Analyse der Versorgungsstrukturen vieles gefunden, was sehr gut läuft", betonte sie. Die Fachstellen sind – auch im landesweiten Vergleich – relativ gut ausgestattet, wissen voneinander und arbeiten sehr eng zusammen. „Das bedeutet: Die Betroffenen finden Hilfe und müssen nicht abgewiesen werden. Das ist nicht selbstverständlich!", so Verlinden.

Sie wies aber auch auf Schutzlücken hin, die bestimmte Personengruppen treffen: Dazu gehören wohnungslose und ältere Frauen ebenso wie Frauen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen. Hier können zum Beispiel aufsuchende Angebote hilfreich sein. Verlinden wies auch auf Verbesserungsbedarf hin, was Angebote für Transfrauen und nichtbinäre Personen, also Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen. Trotz eines erhöhten Risikos für sexualisierte Gewalt haben sie keine Stelle, an die sie sich wenden können, wenn sie Opfer von Gewalt werden."

Verlinden machte aber auch deutlich: „Am besten wäre es Gewalt zu verhindern, bevor sie überhaupt entsteht! Mit erfolgreicher Präventionsarbeit hätten wir weniger Opfer, weniger Leid und weniger Langzeitfolgen." Auch aus (gesundheits)ökonomischer Perspektive kommt der Verhinderung sexualisierter Gewalt eine große Relevanz zu. Hier könnte vor allem die sogenannte „Täterprävention" einen zentralen Beitrag leisten: Hier geht es vor allem darum, schon früh anzusetzen und sich bei der Präventionsarbeit gezielt auch an Männer und Jungen zu richten. Sexualisierte Gewalt zu erkennen, einzugreifen, selber nicht übergriffig zu werden – dies alles sind bewusste Entscheidungen, die Menschen ab dem Kindesalter treffen können.

Ebenfalls vor Ort waren Vertreterinnen und Vertreter der Polizei, die einen Einblick in die Kriminalstatistik sowie die Situation vor Ort gaben. Wichtig ist in diesem Kontext auch die Möglichkeit, diese Ansprechpartner persönlich kennenzulernen. Nach den Fachvorträgen verteilten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf drei themenorientierte Fachforen. Hier ging es unter anderem um die Prävention im Quartier, Gewalt im Kontext von Flucht oder darum, Schutzkonzepte in Einrichtungen zu verbessern, in denen Menschen mit Behinderungen leben.

Das Thema ist ernst. Dennoch war der Tenor der abschließenden Diskussion positiv: Sowohl die Erkenntnisse aus dem vorgestellten Gutachten als auch die Möglichkeit, sich fachlich noch enger zu vernetzen, haben die lokalen Akteurinnen und Akteure weitergebracht. Alle Beteiligten – unter anderem Fach- und Beratungsstellen, Polizei, Politik und die StädteRegion Aachen selbst - nehmen die Informationen mit und prüfen, was an Verbesserungen möglich ist. Ein konkretes Ziel, das Sozialdezernent Michael Ziemons ins Visier genommen hat, ist zum Beispiel, dass in der StädteRegion Aachen das Angebot einer anonymen Spurensicherung etabliert wird. „Nur ein Prozent aller Vergewaltigungen wird laut Bundeskriminalamt angezeigt", so Ziemons. „Die anonyme Spurensicherung erleichtert es Frauen, bei einer Anzeige Beweise zu liefern. Wir brauchen dieses Angebot schnellstmöglich!" Die ersten konkreten Vorbereitungen laufen noch in dieser Woche an.