Alles rund um Aachen

Die Stadt Aachen hat am Dienstag (5. April) den Entwurf für ihr „Handlungskonzept Wohnen" vorgestellt. Für Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen genießt das Thema höchste Priorität: „Der Bereich Wohnen berührt ganz viele Teilbereiche unserer Stadt", sagte sie im Rahmen einer Pressekonferenz im Aachener Eurogress. Die Frage sei: „Wie kann man auf den knappen Flächen das Ziel erreichen, bedarfsgerechten Wohnraum zu schaffen?" Für Studierende genauso wie für junge Familien oder Senioren.

Mit dem Entwurf des Handlungskonzepts liege auf 210 Seiten nun ein strategischer Werkzeugkasten vor, um den Herausforderungen zu begegnen: „Aber es gibt keine einfachen Lösungen. Wir müssen auf minimalen Flächen das maximale an Wohnraum schaffen und dabei Qualität und Quantität in Einklang bringen", formulierte Keupen klare Ziele. Sie verwies dazu auf die Talbothöfe, eine Mischung aus Kleinstwohnungen und Familienwohnraum, wo „Bauen und Wohnraum schaffen sozialverträglich geschehen ist".
Zahlreiche Beteiligungsformate
Gemeinsam mit dem Bürgermeister und Vorsitzenden des Wohnungs- und Liegenschaftsausschusses, Norbert Plum, dem städtischen Sozial- und Wohnungsdezernenten Prof. Dr. Manfred Sicking und Rolf Frankenberger, dem Leiter des Fachbereichs Wohnen, Soziales und Integration, stellte Keupen die wesentlichen Inhalte des Konzeptentwurfs vor, der nun noch in den politischen Gremien beraten wird. Im Jahr 2019 hatte die Politik die Verwaltung beauftragt, das „Handlungskonzept Wohnen" der Stadt Aachen im Rahmen einer Hochschulkooperation fortzuschreiben. „Ich habe das Thema übernommen und gerne zur Chefinnensache gemacht", so Keupen.

Begleitet wurde dieser Prozess durch den Lehrstuhl für „Planungstheorie und Stadtentwicklung" der RWTH Aachen unter Leitung von Prof. Agnes Förster. In verschiedenen Beteiligungsformaten sind gemeinsam mit Bürger*innen, Expert*innen, Wohnungsmarktakteur*innen und der Politik die Herausforderungen der Wohnraumentwicklung Aachens beleuchtet und Ideen, Anregungen sowie Handlungsansätze erarbeitet und diskutiert worden. Der nun vorliegende Konzeptentwurf beschreibt in sieben Aktionsfeldern die wesentlichen Handlungsschwerpunkte für die Zukunft des Wohnens in Aachen und erweitert den bereits bestehenden Katalog an wohnungspolitischen Instrumenten noch einmal deutlich.

„Das Konzept ist eigentlich nur der Anfang"
Die Herausforderungen, vor denen Aachen steht, sind klar umrissen: Die Flächen sind knapp, die Preise steigen und insbesondere für Geringverdienende und junge Familien wird es immer schwieriger, Wohnraum zu finden. Bürgermeister Norbert Plum leitete hieraus einen klaren politischen Auftrag ab: „Das Konzept ist eigentlich nur der Anfang. Wir müssen ihn nun umsetzen." Plum verwies darauf, dass der Entwurf „im Schulterschluss von Politik und Verwaltung entstanden ist". Plum nannte dann auch einige der Werkzeuge, die angesetzt werden könnten: Das Bauen mit Genossenschaften oder die Gründung einer solchen, Dachgeschossausbau, Reaktivierung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus auf kommunaler Ebene oder Belegungsrechte kaufen, und dann entscheidet die Stadt, wie die Wohnungen in diesen Objekten belegt werden. Und: „Wir müssen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau werben. Wir müssen Investoren klar machen, dass er lukrativ ist und wie viele Menschen ein Anrecht darauf Wohnraum haben", so Plum. Rund 50 Prozent der Menschen hätten ein Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein.
Der städtische Beigeordnete Prof. Manfred Sicking ist überzeugt: „Wir können das alles aber nur im allgemeinen Schulterschluss mit der Wohnungswirtschaft schaffen. Und man kann ein solches Konzept nicht eins zu eins umsetzen." Denn von den rund 140.000 Wohnungen in Aachen würden nur rund 7.500 der Wohnungsbaugesellschaft gewoge oder der Stadt gehören. Allerdings gäbe es auch in Aachen – wie in fast allen deutschen Städten – brachliegende Flächen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht bebaut würden: „Gebt uns Flächen, sonst können wir nicht bauen", so seine Forderung und verspricht: „Wir wollen nachhaltigen Wohnungsbestand in Aachen entwickeln." Stichwort: Flexible Zuschnitte, die zunächst als Studierendenappartement dienen, dann zu Wohnraum für junge Familien umgestaltet werden können oder später für Senior*innen angepasst werden, weil bereits barrierefrei geplant wurden.

Neben den städtischen Planwerken ist auch die Expertise zahlreicher Akteur*innen eingeflossen. „Wichtig war es uns, das Konzept zusammen mit der Aachener Bürger*innenschaft, sozialen Trägern und Verbänden, der Wohnungswirtschaft, der Politik und Expert*innen zu erarbeiten, um ganz nah an den praktischen Bedarfen zu planen", erläuterte der städtische Wohnungsmarktexperte Rolf Frankenberger den Entwurf. Man habe bei der Ausarbeitung des Entwurfs genau geschaut, was es an Maßnahmen bereits gebe und was noch brauche, um im jeweiligen Handlungsfeld weiter zu kommen." Eine kurzfristige Maßnahme: „Die Erstellung eines Leerstandskatasters haben wir bereits in Auftrag gegeben." Ebenfalls kurzfristig möchte man den Umgang mit Micro-Appartements festlegen – also Kleinstwohnungen, die in erster Linie für Studierende gebaut werden und, je nach Mietgestaltung, zunächst hohe Rendite einbringen. Auch ein verstärkter Blick in die Aachener Quartiere soll schnell in Angriff genommen werden, um dort Potenziale auszumachen. Auf eine Zahl, wie viel Wohnungen Aachen mittelfristig benötigt, möchte sich Frankenberger nicht festlegen: „Wir brauchen hier eine neue Bedarfsanalyse." Denn gerade auch die derzeitige Entwicklung mit einem starken Zuzug von Geflüchteten oder der Wegzug von Familien aus Aachen in der Zeit Coronapandemie mache eine Prognose schwierig. Aber Frankenberger und Keupen betonten die hohe Solidarität der Aachener*innen: „Wir haben das Wohl aller Schutzsuchenden, die in Aachen ankommen, im Blick."

Das Handlungskonzept liefert mehrere zentrale Erkenntnisse:
·         Die Stadt hat in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht und wird sich jetzt als Kommune noch stärker einbringen, z. B. über Quoten, Konzeptvergaben, Förderprogramme und mehr kommunale Verantwortung bei Wohnbauprojekten.
·         Die Stadt wird Hochschulentwicklung und Wohnraumschaffung im direkten Zusammenhang sehen und entsprechend mit den Partner*innen eng zusammenarbeiten.
·         Die Stadt wird Flächen und Projekte nachhaltig und enkelgerecht denken. Das gilt auch und insbesondere für große Planungsvorhaben wie Richtericher Dell.
·         Die Stadt wird noch stärker die Potenziale der Flächen mit berücksichtigen und sozialgerechte Quartiersentwicklung auf den Weg bringen.
·         Die Stadt wird noch intensiver über den Tellerrand schauen und regional sowie euregional Wohnraumentwicklung für die verschiedenen Bedarfe voranbringen. Dazu wird Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen im Herbst 2022 die kommunalen Spitzen zu einem Euregionalen Wohnforum ins Aachener Rathaus einladen.
·         Die Stadt wird im engen Austausch mit der Wohnungswirtschaft bleiben, dabei Zielkonflikte offen ansprechen und die Akteur*innen für eine gemeinsame Verantwortungsübernahme gewinnen.