Alles rund um Aachen

Ein leichter Schlag mit dem Hammer auf die Baumrinde, es klingt ein dumpfes Geräusch – und schnell lässt sich erahnen, dass der Baum von innen hohl ist. Die Untersuchung mit dem Schalltomographen bringt Gewissheit: Die Esche ist geschädigt. Der Höhlungsgrad ist weit ausgeprägt, die Restwandstärke des rund 100 Jahre alten Baumes gering. „Der lastabtragende Stamm ist nicht mehr ausreichend stabil, um die Segelfläche des Baumes abzufangen", erklärt Andreas Schulz, Bereichsleiter Baumunterhaltung des Aachener Stadtbetriebs. Das Ergebnis der Untersuchung bedeutet daher auch: Der Baum am Amsterdamer Ring ist nicht mehr verkehrssicher, würde einem Sturm womöglich nicht mehr standhalten, und wird daher von den Expert*innen des Stadtbetriebs in den kommenden Wochen gefällt werden müssen.

Extreme Einflüsse durch Trockenheit und Sturm
Die beschriebene Esche ist einer von voraussichtlich 1000 Bäume, die in diesem Jahr in Aachen gefällt werden müssen. „Die Zahl der zu fällenden Bäume hat sich im Vergleich zu den fünf Vorjahren fast verdreifacht", sagt Klaus Meiners, Leiter des Fachbereichs Klima und Umwelt, und verweist damit auf eine jüngst erstellte Baumbilanz. „Diese Zahl ist insbesondere der extremen Trockenheit der Jahre 2019 und 2020 sowie weiteren Einflüssen, wie beispielsweise Sturmschäden, geschuldet." Stadtbäume sind diesen Extremen noch einmal mehr ausgesetzt als Waldbäume.

Das wirkt sich auch auf die Lebenserwartung aus. „Bei Straßenbäumen, beispielsweise bei der Linde, haben wir eine durchschnittliche Lebenserwartung von 80 bis 100 Jahren", erklärt Ilse Stollenwerk, Geschäftsbereichsleiterin Grün- und Freiflächenpflege des Aachener Stadtbetriebs. „Wird sie älter, sind wir sehr glücklich. Aber der gleiche Baum wird an einem guten Standort im Wald auch bis zu 300 Jahre alt, selten auch deutlich älter." Dies zeige auch, betont Andreas Schulz, dass viele der Straßenbäume, die nun und in den kommenden Jahren gefällt werden müssen, ihr erwartetes Lebensalter erreicht haben.

Positive Baumbilanz erreichen
„Die Stadt verliert im öffentlichen Raum, also an Straßen, Spielplätzen und Parks, Grün", fasst Klaus Meiners zusammen. „Darum heißt es nun für uns auch: Mehr Gas geben bei Neupflanzungen." Denn die erstellte Baumbilanz für die vergangenen Jahre zeigt auch: es müssen wegen der beschriebenen Umstände mehr Bäume entfernt werden, als derzeit nachgepflanzt werden können „Hier besteht also dringender Handlungsbedarf", betont Heiko Thomas, Dezernent für Klima und Umwelt, Stadtbetrieb und Gebäude. „Wir brauchen eine Dekade der Stadtbäume und müssen mehr Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken. Wir haben einen politischen, aber auch naturwissenschaftlichen Auftrag und schaffen eine Anpassung an den Klimawandel nur mit einer positiven Baumbilanz." Ein entsprechendes Handlungskonzept werde hierzu erarbeitet, aber Thomas machte auch deutlich: „Das ist eine Aufgabe, die wir nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern angehen können." Eine Zusammenarbeit mit Unternehmen sei ebenso denkbar wie die Ausweitung von Baumpatenschaften und Baumspenden.

Schwierige Bedingungen für Straßenbäume
Dabei ist das Phänomen der abgängigen Straßenbäume keines, das sich nur in Aachen zeigt. „Weltweit sehen wir, dass Bäume immer mehr den äußeren Einflüssen ausgesetzt sind", betont Ilse Stollenwerk, wenngleich Aachen durch seine historische Innenstadt auch Besonderheiten aufweise. „Die Baumscheiben sind sehr klein, Straßenbäume haben oft wenig Platz, um sich zu entwickeln und zu entfalten." Hinzu kommen schwierige Begebenheiten, beispielsweise angrenzender Parkraum und über das Wurzelwerk fahrende oder parkende Autos oder angeschlossene Fahrräder, wodurch der Wurzelraum stark verdichtet wird.

Einen neuen Baum einfach in die vorhandene Baumscheibe wieder einzupflanzen ist aber oft nicht zukunftsorientiert, wie Elfi Buchkremer, Abteilungsleiterin Umweltvorsorgeplanung des Fachbereichs Klima und Umwelt, erklärt. „Wenn wir ein Gebiet neu planen versuchen wir immer, dem Baum die Gegebenheiten im Straßenraum zu schaffen, die er braucht." Dazu gehören unter anderem größere Baumfelder, nach Bedarf ein Erdaustausch und teilweise auch eine Veränderung der Baumart. „Darum stellen wir bei Neupflanzungen Qualität über Quantität."

500 Bäume werden in den kommenden Monaten neu gepflanzt, vorrangig in der Innenstadt, erklärt Klaus Meiners. „Wir schaffen bei diesen Pflanzungen Zukunftsstandorte." Doch wird auch deutlich: diese 500 Pflanzungen können dabei nur der Anfang sein.