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Die Nachhaltigkeit dient seit jeher der modernen Waldwirtschaft als Leitbild, zunächst mit dem Ziel, nicht mehr Holz einzuschlagen als nachwächst. Heute erstreckt sich der forstliche Nachhaltigkeitsgedanke auf sämtliche Ökosystemleistungen des Waldes: zum Beispiel auf den Erhalt und die Verbesserung der Biodiversität und des Boden- und Erosionsschutzes oder auf die Sicherung kulturhistorischer Güter, des Trinkwassers und der Erholungsqualität.

Widersprüchliche Interessen ausgleichen

Das FSC-System versucht, diese komplexen und zum Teil widersprüchlichen Interessen auszutarieren und bildet diese Anforderungen mit über 200 nachprüfbaren Indikatoren im Waldstandard 3.0 ab. So ist sichergestellt, dass die gesamtgesellschaftlichen Ansprüche an den Wald berücksichtigt werden und nicht Einzelinteressen in den Vordergrund rücken, beispielsweise eine rein wirtschaftliche oder rein ökologische Ausrichtung des Betriebs. Die Prüfung dieser komplexen Bewirtschaftungsvorgaben war Gegenstand des jüngsten FSC-Audit 2020, dessen Bericht dem Fachbereich Klima und Umwelt nun vorliegt.
Renaturierung im Münsterwald positiv bewertet
Eine weitere positive Rückmeldung erhielt das Gemeindeforstamt durch das Gutachten des Aachener Umweltplanungsbüros Raskin. Dieses bewertete Renaturierungsmaßnahmen des Gemeindeforstamtes in einem Moorgebiet im Münsterwald. Im Moor selbst sowie in dessen Umfeld wurden zahlreiche Kiefern und Fichten gefällt und bodenschonend mit einem Seilkran herausgenommen.
Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Lebensraum für die dort vorkommenden und zum Teil seltenen Tier- und Pflanzenarten trotz der letzten drei Trockenjahre verbessert hat.
Auch entlang von Bächen wurden im Münsterwald lebensraumfremde Bäume gefällt. Erlen, Weiden und andere Laubbaumarten geben dem Gewässer heute ein neues Erscheinungsbild und erhöhen die biologische Vielfalt auch auf lange Sicht hin.
Die ökologischen Ziele
Das Gemeindeforstamt verfolgt seine ökologischen Ziele aber nicht nur in den schützenswerten Waldbereichen, sondern fördert die Naturnähe und den Strukturreichtum der Wälder auf der ganzen Fläche. Bereits im Jahr 1996 formulierte der Aachener Stadtrat vorausschauend Grundsätze zur naturgemäßen Bewirtschaftung seiner Wälder und verabschiedete diese mit einstimmigem Beschluss. Diese Grundsätze werden zwar stets auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse weiterentwickelt, in den Kernaussagen haben sie jedoch nach wie vor Bestand und dienen dem Gemeindeforstamt als Richtschnur.
Klimawandel bedroht den Aachener Wald
Trotz dieser erfreulichen Aussichten gerät die Waldwirtschaft mehr und mehr in unruhiges Fahrwasser. Die größte Bedrohung für den Aachener Wald sieht Dr. Gerd Krämer, Leiter des städtischen Gemeindeforstamtes, im Klimawandel. „Steigende Temperaturen, eine geänderte Niederschlagsverteilung und die Zunahme von Extremwetterereignissen machen dem Wald sichtbar zu schaffen. Dies gilt je nach Standort auch für die Baumart Buche, die lange Zeit die Hoffnungsträgerin der hiesigen Forstwirtschaft war", sagt Krämer. Er setzt langfristig – und blickt dabei über die nächsten 100 Jahre hinaus – auf eine Vielfalt von überwiegend heimischen Baumarten sowie eine „dauerwaldartige Bewirtschaftung".
In einem Dauerwald gibt es Bäume mit unterschiedlichen Höhen und unterschiedlichen Durchmessern auf ein und derselben Fläche. Hier werden (vorwiegend) die starken Bäume gefällt. In der Lücke, die der Baum hinterlässt, verjüngt sich die Natur. Der Wald befindet sich also in einer Art Fließgleichgewicht, weil junge, mittelalte und alte Bäume auf der Fläche stehen.
In Bezug auf den Klimawandel ist er davon überzeugt, dass zur Reduzierung der Treibhausgase mehr Holz als Baustoff eingesetzt werden soll. Holz aus nachhaltiger, regionaler Waldwirtschaft wird im Vergleich zu Stahl oder Kunststoff äußerst kohlendioxid(CO2)-arm produziert, so dass Treibhausgase gar nicht erst in die Erdatmosphäre gelangen. Der so genannte Substitutions- oder Vermeidungseffekt übertrifft den CO2-Speichereffekt von Bäumen und Waldböden. Renommierte Forschungsanstalten wie beispielsweise das Max-Planck-Institut oder das Thünen-Institut sehen in Sachen CO2-Bilanz nachhaltig genutzte Wälder gegenüber stillgelegten Wäldern im Vorteil.
Aachener Wald wird bunter, strukturreicher und älter
Die naturgemäße und FSC-konforme Waldbewirtschaftung zeigt Wirkung. Der Aachener Wald wird bunter, strukturreicher und älter. Dies belegen auch die regelmäßig durchgeführten Waldinventuren. „Die augenscheinliche Unordnung mag vielleicht nicht jedem Waldbesucher gefallen, die Tierwelt zeigt sich jedoch dankbar", sagt Krämer. Mittlerweile seien Biber und Wildkatzen in die Wälder
zurückgekehrt und es würden wieder vermehrt Kolkraben beobachtet. Selbst der scheue Schwarzstorch zog in den Aachener Wäldern schon seine Jungvögel auf. Ein Zeichen dafür, dass es nicht nur auf dem Papier eines Auditberichts gut läuft. Ökologie, Ökonomie und Erholungsnutzung im Aachener Wald schließen sich offenkundig nicht aus. Forstamtsleiter Krämer fragt sich: „Wäre dieses Konsensmodell nicht auch ein Ansatz für andere Wirtschaftszweige?"