Herzogenrath

Was gibt meinem Leben wirklich Sinn? Wovon lasse ich mich berühren? Welche Motivation steht hinter den Entscheidungen, die ich treffe? Diese Fragen zu beantworten ist eine Angelegenheit, die der Mensch sich nicht aus der Hand nehmen lässt. In den persönlichen Werten drückt sich aus, was unserem Leben Halt und Orientierung gibt.

Mit den Grundlagen für eine gelingende Kommunikation beschäftigte sich der Fachtag "Interkulturelle Kommunikation und Rassismus". Dieser fand im Frauenkommunikationszentrum Herzogenrath unter der Leitung von Birgit Kuballa, Gleichstellungsbeauftragte der Herzogenrath in Kooperation mit Hevin Shamsaldin (B.A. Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin) von Frauen helfen Frauen e.V. und der KatHo NRW, Abt. Aachen statt. Hierzu stellten Prof. Dr. Phil. Joachim Söder (Prodekan und Auslandsbeauftragter der KatHO Aachen) und Dipl. Soz. Päd./-Arbeit, Master of Arts Soziale Arbeit Angelika Gey (Mitarbeiterin von Frauen helfen Frauen e.V.) ihre Thesen einem Publikum von haupt- und ehrenamtlichen Fachleuten und Interessierten vor.

Am Beispiel einer geflüchteten Frau mit Kopftuch, die entgegen der traditionellen Vorstellung ihrer Gruppe alleinerziehend ist und keine Wohnung findet, erklärte Gey, wie mit persönlichen Bewertungen durch Fachleute oder andere Mitmenschen dieselbe Frau als Opfer gesehen wird oder als starke, respektable Frau auf ihrem Weg in ein neues Leben. Entsprechend unterschiedlich verliefe die Ansprache, entsprechend unterschiedlich werde ein Unterstützungsangebot aufgenommen. Ein eurozentrisch verstandener Feminismus sollte nicht dazu verleiten, "einer Hilfe suchenden Person Werte überzustülpen, die darüber bestimmen, was für diese besser ist". In puncto Recht auf Selbstbestimmung der Lebensgestaltung gelten die Werte von Frauen und Männern als unantastbar, solange sie im Rahmen der Gesetze verlaufen. Das Zusammenleben im gegenseitigen Respekt werde vor allem dann gelingen, wenn mehrdimensionale Benachteiligungen gesehen und verstanden werden. Dazu sei es erforderlich zum Beispiel im Beratungskontext die eigene Priviligiertheit als studierte Beraterin zu sehen und die Lebensentwürfe der geflüchteten Frauen zu respektieren. Gey gab zu verstehen, dass die sogenannte Intersektionale Perspektive auch heutzutage in Beratungsgesprächen eine unterschätzte Herausforderung darstellt.

Prof. Söder stellte heraus, dass "neben dem persönlichen vollständigen Werte-Set der Begriff der Kultur als gemeinsam geteilte Werte und gemeinschaftlich erlebter Sinn besteht." Seine These, dass Sinnerfahrung nicht aufgezwungen werden kann, fand im Auditorium höchste Zustimmung und impliziert, dass bestimmte Integrationskonzepte kontraproduktiv sind. In der interkulturellen Kommunikation sei vielmehr ein Wertedialog erforderlich, der bemüht ist, eine gewisse Sprachlosigkeit zu überwinden und Gemeinsamkeiten zu entdecken. Auf diesem Weg führe der Dialog der Kulturen zusätzlich zu einem vertieften Verständnis der eigenen Kultur.

Aus persönlicher Lebenserfahrung sowie aus langjähriger beruflicher Perspektive als Schulleiterin bestätigte Gül Coskun-Dreßen (Vorstand Frauenkommunikationszentrum e.V.), Interkulturelle Kommunikation als eine Bereicherung hinsichtlich der Selbsterkenntnis des Individuums aufzufassen. Shamsaldin, deren Beratungsangebot vor Ort in Herzogenrath angefragt werden kann, unterstrich, dass einerseits die Migranten und Flüchtlinge aufbauend auf ihrer Sozialisation ein eigenes Normsystem entwickeln müssen und es andererseits auch in der Mehrheitsgesellschaft der Entwicklung einer Interkulturellen Kompetenz bedarf, um Konflikten und Missverständnissen im Zusammenleben entgegen zu wirken. Die vielen Teilnehmerbeiträge bescheinigten entsprechende Erfahrungen, stießen integrationspolitische Notwendigkeiten an und führten zur vertieften Auseinandersetzung bezüglich Menschenwürde, Grundbedürfnisse und Autonomie.

Nach diesem Mix aus Sachinformation und Anstößen zur Selbstreflexion gab es in den Räumen des Frauenkommunikationszentrums Gelegenheit zum Austausch und zur Vorstellung der Beratungsmöglichkeiten.

Die Multiplikatorinnen aus Politik und Gesellschaft verließen die Fachtagung "Interkulturelle Kommunikation und Rassismus" mit dem Bild eines sich entfaltenden Schmetterlings, der sich aus seinem Kokon von Festschreibungen kultureller Konzepte befreit, um sein Leben zu leben.

Weitere Informationen zu Integrations- und Beratungsangeboten für Immigrierte und ehrenamtlich Tätige im Pavillon des Frauenkommunikationszentrums Herzogenrath erhalten Sie unter 02406/979732, www.frauenkommgleis1.de sowie im Rathaus unter birgit.m.kuballa@herzogenrath.de.