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Ein Forscherteam der RWTH Aachen und der Cambridge University entschlüsselt das „Uncanny Valley“-Phänomen beim Umgang mit Robotern

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler identifizierten jetzt im menschlichen Gehirn Mechanismen, die helfen könnten, das sogenannte Uncanny Valley-Phänomen zu erklären – jenes aufkommende beunruhigende Gefühl, wenn Roboter oder virtuelle Figuren Menschen zu ähnlich werden. Das Team zeigte weiterhin, dass manche Personen negativer auf menschenähnliche Gestalten reagieren

Stetig voranschreitende technische Entwicklungen erlauben es, immer lebensechtere künstliche Gestalten wie Roboter oder Computeranimationen zu entwickeln. „Menschen im Aussehen oder Verhalten stark zu ähneln, kann ein Vorteil, aber auch ein Nachteil sein“, erklärt Professorin Astrid Rosenthal-von der Pütten vom Lehrstuhl Technik und Individuum der RWTH Aachen. „Menschenähnliche Gestalten ziehen uns an, aber eventuell nur bis zu einem bestimmten Grad: Menschen mögen es scheinbar nicht, wenn Roboter oder Computeranimationen zu menschlich sind.“

Dieses Phänomen wurde erstmals im Jahr 1970 von Robotik-Professor Masahiro Mori beschrieben. Er prägte im Japanischen den Ausdruck, der gleichbedeutend mit Uncanny Valley bezeichnet wurde - also ein „unheimliches Tal“ oder ein „Gruselgraben“.

„Für Forschende der Neurowissenschaften ist Uncanny Valley ein interessantes Phänomen“, beschreibt Dr. Fabian Grabenhorst, Sir Henry Dale Fellow und Dozent am Institut für Physiologie, Entwicklung und Neurowissenschaften der Cambridge University. „Es impliziert einen Gehirnmechanismus, mithilfe dessen zunächst beurteilt wird, wie nah an der Grenze ein sensorischer Input – beispielsweise das Bild eines Roboters – zu dem liegt, was wir als menschliche oder nicht-menschliche Gestalt erkennen. Diese Information würde dann von einem separaten Bewertungssystem genutzt, um zu bestimmen, wie sympathisch oder angenehm die Gestalt ist.“

Um diese Mechanismen zu untersuchen, wurde die Gehirnaktivität von 21 gesunden Versuchsteilnehmenden analysiert. Dazu wurden zwei unterschiedliche Tests mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie durchgeführt. Die bildgebenden Verfahren machen Durchblutungsänderungen in Hirnarealen sichtbar und zeigen, wie aktiv unterschiedliche Gehirnregionen zu verschiedenen Zeitpunkten sind. Im ersten Test wurden den Probanden eine Reihe Bilder von Menschen, künstlichen Menschen, Android-Robotern, humanoiden Robotern und mechanischen Robotern gezeigt. Sie sollten dann ihre Sympathie zu den Gestalten und Ihre Ähnlichkeit zu Menschen bewerten. Im zweiten Test wurde um die Entscheidung gebeten, welchen dieser Gestalten man zutraue, ein persönliches Geschenk für sich – also für einen Menschen – auszuwählen. Ergebnis war, dass die Probanden lieber Geschenke von Menschen oder den eher menschenähnlichen künstlichen Gestalten bekämen  – allerdings mit Ausnahme jener Figuren, die zu nahe an der Mensch/nicht-Mensch Grenze angesiedelt waren – in Übereinstimmung also mit dem Phänomen des Uncanny Valley.

Da die Gehirnaktivität während dieser Aufgaben gemessen wurde, konnten die Forschenden identifizieren, welche Hirnareale in der Herstellung des Uncanny Valley beteiligt waren. Einige der Hirnareale in der Nähe des visuellen Kortex, wo Bilder entschlüsselt werden, verfolgten während des Experimentes, wie menschenähnlich die Gestalten waren, indem sie umso aktiver wurden, je menschenähnlicher eine künstliche Gestalt war. Es wurde quasi ein Spektrum von Menschenähnlichkeit erstellt.

Aus den Ergebnissen können Schlussfolgerungen für Entwicklung und Design künstlicher Figuren gezogen werden, die für Menschen angenehmer und akzeptabler sind. So erklärt Dr. Grabenhorst: „Wir wissen, dass sich die Bewertungssignale in diesen Hirnregionen durch soziale Erfahrungen verändern können. Das bedeutet, dass unser ventromedialer Kortex ein neues soziales Gegenüber sympathischer wahrnimmt, wenn wir die Erfahrung machen, dass diese künstliche Figur positiv für uns agiert – indem sie beispielsweise das schönste Geschenk für uns aussucht.“

„Dies ist die erste Studie, die individuelle Unterschiede in der Ausprägung des Uncanny Valley-Effekts feststellt - manche Personen reagieren sensibler, andere weniger sensibel auf menschenähnliche, künstliche Gestalten,“ berichtet Professorin Rosenthal-von der Pütten. „Das bedeutet, dass es kein Roboter-Design gibt, das für alle Menschen gleichermaßen angenehm oder abschreckend ist. Meines Erachtens ist vor allem das Verhalten von Robotern wichtig, denn Menschen werden sicherlich keine Roboter nutzen wollen, die sich nicht als schlau und nützlich erweisen.“

Die Forschung wurde von Wellcome sowie der Studienstiftung des deutschen Volkes e.V. finanziert.

Kontakt:

Professorin Astrid Rosenthal-von der Pütten

Lehrstuhl Technik und Individuum an der RWTH Aachen

Telefon: 0241-8025521

E-Mail: arvdp@humtec.rwth-aachen.de