Alles rund um Aachen

Lottospieler würden wohl von sechs Richtigen plus Superzahl reden. Stadtarchäologe Andreas Schaub bringt es so auf den Punkt: „Hier bleiben einfach keine Wünsche offen." Bei Arbeiten am Kapuzinergraben, wo gegenüber des Theaters in Verantwortung der Landmarken AG unter anderem ein Hotel- und Büroneubau entstehen soll, haben Experten spektakuläre Funde gemacht, die viele neue Erkenntnisse über die mittelalterliche Befestigung Aachens verraten. So sind Teile der Ende des 12. Jahrhunderts errichteten Barbarossamauer freigelegt worden. Das hatte die Stadtarchäologie im Vorfeld an dieser Stelle bereits vermutet. Was sie nicht erwartet hat: Genau an diesem Ort verlief durch die Mauer und über einen aufgeschütteten Damm eine Wasserleitung, die vom historischen Kern Aachens die im Mittelalter weiter wachsende Stadt außerhalb des inneren Mauerrings mit Frischwasser versorgt hat. Dort, im Bereich des heutigen Kapuzinergrabens, wurde die Pau in einem Kanal über den großen Stadtgraben hinweg geführt. An Ort und Stelle stand zudem offenbar ein befestigter Turm, von dem aus der sensible Bereich der Mauer überwacht werden konnte.    

„Das ist wie Weihnachten"

Sabrina Wittka, Grabungsleiterin der Fachfirma „Goldschmidt Archäologie & Denkmalpflege" bezeichnet die jüngsten Funde folgendermaßen: „Das ist wie Weihnachten, wenn man ein Paket auspackt und vorher nicht weiß, was drin ist." Seit knapp drei Wochen sind die Fachleute vor Ort, sichern und analysieren die Befunde und gewinnen täglich neue Erkenntnisse. Stadtarchäologe Andreas Schaub frohlockt: „Diese Befunde sind für uns sehr besonders. Man findet normalerweise bei Grabungen mal ein Stück der sogenannten Contrescarpe, also der äußeren Grabenmauer, mal ein Stück der Barbarossamauer, mal ein Fragment vom Graben. Aber dass wir alles en bloc auf einer zusammenhängenden Fläche vorfinden und untersuchen können, ist wirklich außergewöhnlich." So könne ein umfassendes Bild der gesamten staufischen Befestigung gezeichnet werden. „Da geht einem als Archäologen das Herz auf!" Und als Bonbon haben die Experten gewissermaßen obendrauf nun auch noch die Stelle entdeckt, an der die Wasserversorgung der spätmittelalterlichen Stadt gesichert wurde.

Der Stadtgraben war bis zu acht Meter tief und – von der Barbarossamauer bis zur gegenüberliegenden äußeren Grabenmauer über 20 Meter breit. Inklusive Böschung war die gesamte Verteidigungsanlage sogar rund 25 Meter breit.    

   

Funde aus der Römerzeit
Doch damit nicht genug: Denn völlig überraschend sind auch Funde, die auf ein römisches, rund 2000 Jahre altes Gebäude in diesem Bereich hindeuten. Nur für das geschulte Auge erkennbar, haben die Archäologen zunächst feine Reste einer Mauerecke ausgemacht, die nun weiter herausgearbeitet werden. „Die rötlichen Steine, die wir hier gefunden haben, sind Reste eines Fußbodens. Die Färbung deutet darauf hin, dass hier zu Römerzeiten eine Fußbodenheizung existiert hat", erklärt Schaub. Das Besondere ist dabei vor allem die Lage: „Aus wissenschaftlicher Sicht ist es hochinteressant, dass wir an dieser Stelle römische Spuren gefunden haben. Hier stand also ein festes  Gebäude. Die römische Siedlungsfläche erstreckte sich somit deutlich weiter Richtung Südwesten als  bisher angenommen", schlussfolgert der Stadtarchäologe.

In einer historischen Darstellung des mittelalterlichen Aachens aus dem 16. Jahrhundert ist unterdessen der Graben noch als wasserführende Befestigungsanlage zu erkennen. „Ob das zu der Zeit wirklich noch so war oder eher eine schematische Darstellung ist, werden wir im Laufe der Grabung noch besser klären können", ist Schaub überzeugt. Denn die Fundstücke aus der Grabenfüllung können datiert werden und dann Auskunft darüber geben, in welcher Zeit der Graben zugeschüttet worden ist. Die Experten gehen davon aus, dass dies vermutlich frühestens im Spätmittelalter passiert ist.

Die Barbarossamauer hat das (früh-)mittelalterliche Aachen komplett umschlossen. Sie war vermutlich acht bis zehn Meter hoch. „Nachdem der Graben verfüllt worden war, gab es in diesem Bereich dann verschiedene Bauphasen", berichtet Schaub. Aachen wuchs immer weiter, breitete sich über den alten Kernbereich hinaus aus. Gebäude sind vermutlich in der frühen Neuzeit – also zu Zeiten der Renaissance und des Barock im 16. bis 18. Jahrhundert – unter anderem direkt an die Stadtmauer heran errichtet worden. Und die Frischwasserversorgung lief über den Paukanal. All dies wird aus den nun freigelegten Mauerresten ersichtlich. 

Mauerreste sollen erhalten bleiben

Weitere Analysen und Untersuchungen stehen in den kommenden Wochen an. Feststeht aber bereits jetzt, dass Teile der archäologischen Funde erhalten und – soweit möglich – auch sichtbar gemacht werden sollen. Erste Gespräche mit der der Landmarken AG als Bauherrin haben bereits stattgefunden. „Das Denkmalschutzgesetz macht es grundsätzlich zur Pflicht, Denkmäler zu schützen und zu pflegen sowie für deren sinnvolle Nutzung zu sorgen", erklärt Monika Krücken, Leiterin der städtischen Denkmalpflege, und sagt weiter: „Die Befunde geben einen bislang einmaligen Blick in die Konstruktionsweise der Barbarossamauer. Sie verdeutlichen zudem die Bedeutung der Wasserkraft und Wasserversorgung für die mittelalterliche Stadt." Deshalb habe die Untere Denkmalbehörde in Abstimmung mit dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland angeordnet, dass der betroffene Bereich am Kapuzinergraben als vorläufig in die Liste der Denkmäler der Stadt Aachen eingetragen gilt.