Alles rund um Aachen

Übergriffe gegen Beschäftigte der Stadt Aachen, die in direktem Kundenkontakt stehen, nehmen seit Jahren zu. Die Erscheinungsformen gewalttätiger Handlungen reichen von Beschimpfungen, Anschreien und Beleidigungen über das Werfen von Gegenständen und Randalieren bis hin zu körperlichen Attacken. Der Stadt Aachen ist es ein besonderes Anliegen, ihre Beschäftigten vor Gewalt, sei es körperlich oder auch verbal, zu schützen.

Foto: Stadt Aachen/David Rüben

Sie stellten das Sicherheitskonzept Gewaltprävention heute (20. März) vor. Darin werden Maßnahmen vorgestellt, um Übergriffe gegen Beschäftigte der Stadt Aachen, die in direktem Kundenkontakt stehen, zu verhindern: (v.l.) Katrin Päßler, Leiterin des Bereichs Arbeitssicherheit, Oberbürgermeister Marcel Philipp, Dr. Markus Kremer, Dezernent für Personal und Organisation (stehend) und Hubert Meyers, Vorsitzender des Gesamtpersonalrates. Philipp und Meyers unterschrieben zudem eine Grundsatzerklärung gegen Gewalt.

Deshalb wurde in den zurückliegenden zwei Jahren verwaltungsintern und in Abstimmung mit dem Gesamtpersonalrat und unterstützt von der Politik das „Sicherheitskonzept Gewaltprävention" erarbeitet. Heute (20. März) wurde es auf einer Pressekonferenz im Haus Löwenstein vorgestellt.

Gefragt ist professionelles Handeln

„Unser Sicherheitskonzept basiert auf der Überzeugung, dass es vielfältige Handlungsmöglichkeiten gibt, Gewalt am Arbeitsplatz vorzubeugen", sagte Oberbürgermeister Marcel Philipp bei der Vorstellung. „Es enthält Sicherheitsstandards für verschiedene Gefahrenbereiche, gibt Empfehlungen zum professionellen Handeln in schwierigen Situationen und weist auf Möglichkeiten der Nachsorge hin." Der Oberbürgermeister unterzeichnete gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Gesamtpersonalrates Hubert Meyers eine Erklärung gegen Gewalt, „auch dies als Zeichen nach außen und als Rückendeckung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung", wie Meyers unterstrich.

Hoher Druck lastet auf Beschäftigten

Der Oberbürgermeister erläuterte den Druck, der auf den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lastet, obwohl die Verwaltung ihre Angebote und Prozesse bürgerfreundlich gestaltet: „Dennoch müssen die Beschäftigten in vielen Fällen hoheitliche Maßnahmen und gesetzliche Vorgaben einhalten und umsetzen. Oftmals befinden sie sich im Spannungsfeld zwischen Kundenzufriedenheit und der Erfüllung des gesetzlichen Auftrags." Immer wieder komme es so zu Konflikten zwischen Beschäftigten und Bürgern, die sich missverstanden fühlen oder deren Anliegen abgewiesen werden mussten. „Beschäftigte berichten neben vielen konstruktiven Kontakten von nervenaufreibenden Konfliktgesprächen, Sachbeschädigungen, Pöbeleien, Beleidigungen bis hin zu Drohungen und körperlichen Übergriffen", so Philipp weiter.  Auch in Straf- und Unfallanzeigen und Hausverboten finden sich gewalttätige Ereignisse als Auslöser für Anzeigen wieder.

Betroffen sind viele Bereiche

Betroffen sind nahezu alle Bereiche der Stadt Aachen: vom Bürgerservice und den Bezirksämtern über den Sozial- und Erziehungsdienst, die Bibliothek, die Volkshochschule und die Schwimmbäder bis hin zum Rettungsdienst der Feuerwehr und Fachbereich Sicherheit und Ordnung.

Dr. Markus Kremer, Dezernent für Personal und Organisation, und Katrin Päßler, Leiterin des Bereichs Arbeitssicherheit, stellten das Konzept vor und wiesen zudem auf eine neue Broschüre zum Sicherheitskonzept Gewaltprävention hin, die auch auf der städtischen Homepage www.aachen.de einzusehen ist. Kremer brachte es so auf den Punkt: „Unser Maßnahmenpaket setzt vor allem auf Prävention und Deeskalationstrainings. Im Einzelfall ist aber leider auch ein repressives Vorgehen nötig. Hierfür setzen wir zum Beispiel einen Sicherheitsdienst ein." Sollte es dennoch zu Übergriffen gegenüber städtischen Beschäftigten kommen, gehe die Stadt mit `Null Toleranz´ jeder gewalttätigen Handlung nach, so Kremer und Philipp unisono.

„Beleidigungen erfordern andere Strategien als Angriffe mit Waffen. Deshalb verlangt jede Gefahrenstufe nach lageangepassten Reaktionen und nach speziellen Maßnahmen", betonte Katrin Päßler. Die von ihr vorgestellten Sicherheitsstandards reichen im Büro von einer gefahrenbewussten Büroeinrichtung, über gute gestaltete Wartezonen bis hin zum Einbau zweiter Fluchttüren, Zugangskontrollen, Alarmierungsmöglichkeiten und die Einbindung von Sicherheitsdiensten. Für den Außendienst gehört es dazu, kritische Termine zu zweit anzugehen. Auch hier werden geeignete Alarmierungsmöglichkeiten bedacht.

Deeskalationstrainer verpflichtet

Zentraler Baustein des Konzeptes ist die Vermittlung von Kommunikations-, Deeskalations- und Eingriffstechniken. Dafür hat die Stadt Aachen eine Stelle für einen Deeskalationstrainer geschaffen. Beschäftigte werden nun regelmäßig im Umgang mit Konflikten, professionellem Handeln in eskalierenden Situationen und in der Eigensicherung geschult.

Katrin Päßler: „Einen hundertprozentigen Schutz vor Übergriffen wird es auch mit dem Sicherheitskonzept nicht geben. Mit einer Reihe von Maßnahmen wird dafür gesorgt, dass Opfer mit ihren traumatischen beruflichen Erlebnissen nicht alleine gelassen und unterstützt werden."

Mit der Vorstellung des Konzeptes endet die zweijährige Entwicklungsphase. Für die nun anstehende flächendeckende Umsetzung wurden vom Verwaltungsvorstand zusätzliche finanzielle und personelle Mittel für drei Jahre zur Verfügung gestellt. 

An der Entwicklung des Konzeptes waren neben Fachexperten und Gremien vor allem die Pilotbereiche Bürgerservice, Ordnung und Sicherheitsdienst, die Politessen, die Abteilung Jugend und die Abteilung Übergangswohnen beteiligt. Die Polizei Aachen stand mit ihrer Fachexpertise als Projektpartner beratend zur Seite. Der  Verwaltungsvorstand sowie der Gesamtpersonalrat haben das Projekt konstruktiv und unterstützend begleitet. Somit ist ein praxisnahes und umsetzungsfähiges Konzept entstanden, das für alle Dienststellen der Stadt Aachen verbindlich gilt.

INFO: Zahlen und Erhebungen

Wichtige Voraussetzung für passgenaue Präventionsmaßnahmen sind Kenntnisse der Gefahrensituationen im jeweiligen Arbeitsbereich. Seit 2015 werden daher Zahlen zu Übergriffen systematisch erfasst und ausgewertet. In den letzten drei Jahren stellten der Ordnungs- und Sicherheitsdienst (OSD) sowie der Bereich zur Überwachung des ruhenden Verkehrs 88 Strafanzeigen, zwei Drittel wegen Körperverletzung bzw. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

Zwischen 2015 und Februar 2018 wurden im Bereich Übergangswohnen, das heißt in den Obdachlosen-, Übergangs- und Asylbewerberheimen 102 Strafanzeigen, hauptsächlich wegen Sachbeschädigung, Bedrohung, Beleidigung und Körperverletzung von Beschäftigten, gestellt.

Auch die Einsätze des Sicherheitsdienstes im Verwaltungsgebäude Hackländerstraße werden dokumentiert. Zwischen Juli 2016 und Februar 2018 verzeichnete der Sicherheitsdienst 213 Einsätze, in 84 dieser Fälle wurde er zur Klärung und Deeskalation in Büros der Mitarbeiter gerufen, 35 Platzverweise wurden durch den Sicherheitsdienst ausgesprochen. In zehn Fällen musste die Polizei zu Unterstützung herangezogen werden.

Da die Spanne zwischen den dokumentierten Vorfällen und den erlebten, oftmals nicht angezeigten Gewalterfahrungen der Beschäftigten mitunter groß sein kann, wurde auch das subjektive Gewalterleben der Beschäftigten im Rahmen einer Befragung erfasst. Sehr häufig erleben die Beschäftigte der befragten Pilotbereiche konfliktbeladene Gespräche und verbale Aggressionen. Körperliche Gewalt und Nötigungen kommen eher selten vor. Beschäftigte im Außendienst des OSD und im Bereich Übergangswohnen werden mehrmals jährlich körperlich angegriffen oder ihnen wird mit einem empfindlichen Übel, etwa mit Körperverletzung, auch gegenüber Angehörigen, gedroht.