Alles rund um Aachen

GRÜNE nehmen Stellung zu Plänen der Bundesregierung. Der Vorstoß der Bundesregierung zu einem kostenlosen Öffentlichen Nahverkehrsangebot für abgasgeplagte Städte klingt zunächst positiv. Damit will man „gut Wetter“ in Brüssel machen und endlich ernsthafte Anstrengungen zeigen, um die Schadstoff-Grenzwerte in deutschen Städten besser einzuhalten. Der Vorstoß greift eine seit langem bestehende GRÜNE Forderung nach kostenfreiem ÖPNV auf. Auch wenn GRÜNE Forderungen weitergehen und eine solidarfinanzierte Grundlage fordern. Kritik wird trotzdem laut.

 „Die Pläne der Bundesregierung sind wenig fundiert und kommen nun ein bisschen aus der Hüfte, weil die EU-Kommission Druck macht“, sagt Wilfried Fischer, mobilitätspolitischer Sprecher der Aachener GRÜNEN. „Viel zu lange wurde bisher der Autolobby das Wort geredet, viel zu lange Untätigkeit und Aussitzen praktiziert, anstatt effektiv und langfristig gegen Luftverschmutzung vorzugehen.“
Vorschlag löst Kapazitätsproblem nicht
Insgesamt seien die jetzt vorgebrachten Ideen zu einem kostenlosen ÖPNV ein populistisch anmutender Vorstoß, denn: „Für viele Städte und Kommunen, so auch für Aachen, würde ein kostenloser Nahverkehr nicht das brennende bestehende Kapazitätsproblem beheben, sondern es im Gegenteil verschärfen“, so Fischer. „Aachens Busnetz stößt jetzt schon an seinen Grenzen, da ist nicht mehr viel Luft nach oben. Eine kostenlose Nutzung würde natürlich zum einen den positiven Effekt haben, dass mehr Menschen mit Bus und Bahn fahren. Für Aachen ist das aber aufgrund der bereits jetzt schon fast ausgelasteten Kapazitäten kaum umsetzbar.“
So könne die Idee nur Hand in Hand gehen mit dem Ausbau des Angebots. Dann käme man auch an einer erneuten Diskussion alternativer Systeme wie einer Straßenbahn nicht vorbei. Doch darüber – und über eine mögliche Förderung eines solchen Systems – verliert die Bundesregierung in ihrem Vorstoß leider kein Wort.
Modellkommunen haben andere Voraussetzungen als Aachen
Die fünf „Modellkommunen“, in denen die Einführung eines kostenlosen Nahverkehrs erprobt werden soll, sind Bonn, Essen, Mannheim, Herrenberg und Reutlingen. Drei der Städte verfügen bereits über ein gut ausgebautes (Straßen-)Bahnnetz. Lediglich in Reutlingen wurde ähnlich wie in Aachen in den 1970er Jahren der Straßenbahnverkehr eingestellt und die Infrastruktur zurückgebaut. Doch die baden-württembergische Kreisstadt plant seit längerem und recht konkret ein Regionalstadtbahnsystem nach Karlsruher Modell, das Reutlingen mit Herrenberg und Tübingen verbinden soll, und ist damit einer Stadt wie Aachen nach dem verlorenen Campusbahn-Entscheid weit voraus.
Solidarische Finanzierung notwendig
„Eigentlich ist es kaum zu fassen, dass die Bundesregierung mit einem so offensichtlich unausgegorenen Vorschlag nach Brüssel geht. Für Aachen beispielsweise kann ein Nulltarif keine kurzfristige Lösung sein“, sagt Kaj Neumann, umweltpolitischer Sprecher, und ergänzt: „Neben den nicht ausreichenden Kapazitäten ist vor allem auch die Frage der Finanzierung völlig offen. Hamburg hat vorgerechnet, dass für das Angebot eines kostenlosen ÖPNV jedes Jahr so viel hingeblättert werden muss wie für den Bau der Elbphilharmonie. Wer wird das bezahlen? Der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs braucht eine solidarische Basisfinanzierung  ähnlich wie bei dem studentischen Semesterticket. Arbeitgeber und auch Bürgerinnen und Bürger müssten einen Beitrag zur Finanzierung leisten. Da bin ich sehr gespannt, ob und wie insbesondere CDU und CSU das ihren Wählerinnen und Wählern nahebringen wollen.“
Nebelkerze – hilft weder gegen dreckige Luft noch gegen Fahrverbote
Auch auf Bundesebene regte sich GRÜNE Kritik. Fraktionsvize Oliver Krischer warf der Bundesregierung Aktionismus vor: „Die große Koalition ist beim Thema Öffentlicher Verkehr in den Städten seit Jahren weitgehend untätig. Nun in einem Brief an Brüssel mit Vorschlägen zu kommen - die im Koalitionsvertrag nicht mal erwähnt sind - ist unglaubwürdig.“ Ein kostenloser ÖPNV sei interessant, löse aber nicht das akute Problem schmutziger Luft.
„Um wirklich etwas gegen dreckige Luft zu tun, brauchen wir die blaue Plakette und Verpflichtung zur Nachrüstung von manipulierten Fahrzeugen auf Kosten der Hersteller. Doch dem verweigert sich die Bundesregierung seit Jahren“, sagte Krischer. Arndt Klocke, Sprecher der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW, verwies zudem auf die Probleme in ländlichen Regionen. Der Ausbau dort würde Jahrzehnte dauern und hohe Summen kosten - der Vorstoß sei daher eine „Nebelkerze“: „Den Bürgerinnen und Bürgern hilft ein unausgegorener Vorschlag nicht – weder gegen dreckige Luft, noch gegen drohende Fahrverbote.“