Alles rund um Aachen

Es war bewegend, tiefgründig, humorvoll und spannend. In den Lesungen dreier Autorinnen mit Migrationshintergrund bei „Literatur in der Nadelfabrik“ wurde nämlich nicht nur grenzübergreifende Literatur präsentiert, sondern gleichzeitig auch deutlich, dass Texte nach wie vor die Fähigkeit besitzen, Menschen auf verschiedene Art und Weise zu berühren.

Suleman Taufiq moderierte die Veranstaltungen
Walter Köth, Leiter der Nadelfabrik, freute sich sehr, dass drei namhafte Autorinnen den Weg nach Aachen gefunden haben: „Wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft und dass die drei Autorinnen auf verschiedene Art und Weise über ihre Erfahrungen zwischen den Kulturen schreiben, freut mich sehr. Die Gedichte und Erzählungen geben Einblicke in eine für uns andere Welt und tragen dadurch vielleicht auch zu einem neuen, gegenseitigen Verständnis bei.“ Moderiert wurden die drei literarischen Abende von Suleman Taufiq, seines Zeichens deutsch-syrischer Schriftsteller, Übersetzer und Herausgeber arabischer Literatur.

Den Anfang machte Safiye Can. Die Tochter tscherkessischer Eltern wurde in Offenbach geboren und studierte Philosophie, Psychoanalyse und Rechtswissenschaften an der Goethe Universität in Frankfurt am Main. Mit ihren Büchern „Rose und Nachtigall“ sowie „Diese Haltestelle hab ich mir gemacht“ nahm sie den Besucher mit auf eine poetisch-phantasievolle Reise durch alle Gefühlslagen der Menschen. Die Tscherkessin wusste mit perfekter Stimmbeherrschung die vielen Facetten der Liebe vorzutragen. Mal ironisch, mal tiefgründig und mal bitter ernst - aber immer authentisch setzte sie Akzente und weckte damit Emotionen beim Publikum. Nicht selten fanden sich in ihren Werken Motive der tausendjährigen arabischen und türkischen Tradition wieder, die Can auf wunderbare Art und Weise mit den Themen der Zeit verknüpfte. „Mit ihnen meine Gedanken zu teilen, berührt mich sehr. Denn heute nehmen sich die Menschen nur noch selten Zeit zum Zuhören“, sagte Can. In der Halle der Nadelfabrik nahmen sich die Besucher gerne viel Zeit und würdigten die Gedichte mit langem Applaus und jeder Menge Lob.

Emotionale persische Gedichte
Die aus Teheran stammende Dichterin, Literaturkritikerin und Übersetzerin Pegha Ahmadi setzte in ihrer Lesung vor allem auf den Klang. Alle ihre Gedichte, die aus dem Band „Mir war nicht kalt“ stammten, trug sie auf Persisch vor. Erst anschließend wurden sie auf Deutsch gelesen. Ihre politischen Gedichte waren vor allem von persönlichen Erfahrungen geprägt, wie sie betonte: „Ohne etwas zu erleben, kann ich nicht schreiben, das gehört bei mir zusammen.“ Auch ihre Entscheidung, ausschließlich auf Persisch vorzutragen, wusste sie genau zu begründen: „Persische Gedichte sind sehr emotional und unterscheiden sich meiner Ansicht nach etwas von der deutschen Lyrik, wobei ich das natürlich nicht verallgemeinern möchte“, betonte Ahmadi.

Schmerzhafte Fragen
Die saudi-arabisch-deutsche Schriftstellerin Rasha Khayat bildete den Abschluss der Veranstaltungsreihe. Ihr Buch „Weil wir längst woanders sind“ erzählt die Geschichte von Basils Reise nach Jeddah zur Hochzeit seine Schwester Layla. Dabei führt ihn sein Besuch mitten hinein in die eigene Vergangenheit: in den liebevoll-skurrilen Kosmos der saudischen Verwandtschaft, die in seinem „deutschen Leben“ nie anwesend war und doch immer da in Erinnerung. Vor allem die Frage, was Layla – eine nicht religiöse, freiheitsliebende Frau junge Frau- dazu, sich für ein Land zu entscheiden, in dem Frauen alles andere als frei sind? Rashan Khayat stellt in ihrem Roman schmerzhafte Fragen. Und sie findet Antworten, die ebenso irritieren wie im Innersten berühren.

Die Reaktionen der Zuhörer waren breit gefächert und gaben nicht nur viele Denkanstöße, sondern lieferten auch genügend Gesprächsstoff für Diskussionen. Die Autorin selbst betonte vor allem eines besonders deutlich: „Fremdheit ist universell und die Frage, wie sich „Zuhause“ definiert und was jeder einzelne dafür braucht, ist individuell. Ein Leben zwischen Kulturen geht mit vielen positiven, aber negativen Dingen einher und beiden muss Raum gegeben werden.“