Alles rund um Aachen

„Lang lebe die tiefe Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland, lang lebe die Städtepartnerschaft zwischen Reims und Aachen in einem Europa des Friedens und der Freiheit!“ Mit diesem Appell beendete Marcel Philipp, Oberbürgermeister der Stadt Aachen, seine mit viel Applaus bedachte Rede zu den Auftaktfeierlichkeiten der nun 50-jährigen Städtepartnerschaft zwischen Reims und Aachen. Bei der von tiefer Zuneigung und Sympathie getragenen Feierstunde im Krönungssaal des Aachener Rathauses erneuerten die Oberbürgermeister der beiden Städte, Arnaud Robinet und Marcel Philipp, den Partnerschaftsvertrag mit ihren Unterschriften – und mit ihren eindringlichen Reden.

Foto: Stadt Aachen/Andreas Herrmann
Unterzeichnung des Erneuerungsvertrages zur Städtepartnerschaft zwischen Aachen und Reims, die am heutigen 28. Januar 2017 50 Jahre besteht: Im Rathaus zeigen der Aachener Oberbürgermeister Marcel Philipp und sein Reimser Kollegen, Bürgermeister Arnaud Robinet (Mitte), den Vertrag. Ihnen zur Seite stehen (von links) der französische Generalkonsul Vincent Xavier Joseph Muller, die französische Honorarkonsulin in Aachen, Dr. Angelika Ivens sowie für die Partnerschaftskomitees Catherine Delot (Reims) und Georg Schmidt (Aachen)

Großartige Chöre aus Reims und Aachen singen zusammen
Einen feierlichen Rahmen setzten die beiden großartigen Chöre, das „Ensemble Vocal d’Enfants du Conservatoire de Reims“ (Leitung Yves Weeger) und der Mädchenchor am Aachener Dom (Leitung Marco Fühner), die am Ende sogar gemeinsam die beiden Nationalhymnen und Beethovens „Ode an die Freude“ sangen – junge Franzosen und Deutsche, die das Miteinander auf mitreißende Art leben und dafür mit großem Applaus beschenkt wurden.
Philipp stellte in seiner Rede, in der er zunächst die Ursprünge der Partnerschaft aus dem Jahr 1967 erläutert hatte (siehe Extratext unten), sehr klar die aktuellen politischen Herausforderungen des geeinten Europas heraus. Der Stellenwert einer Städtepartnerschaft wie der nun gefeierten zwischen Reims und Aachen helfe, Europa stark zu halten. „Europa ist der Sicherheitsriegel gegen einen Rückfall in Nationalismus, gegen innereuropäische Konflikte und letztlich gegen Krieg“, sagte der Aachener Oberbürgermeister. „Europa ist das große Friedenssicherungsprojekt der letzten Jahrzehnte. Die Arbeit an unserer Städtepartnerschaft ist Friedensdienst!“
Wider den aufkeimenden Nationalismus
Mit Blick auf den designierten Karlspreisträger Timothy Garton Ash thematisierte Philipp die aktuelle Bedrohung der europäischen Idee durch aufkeimenden Nationalismus: „Das Aufgebaute wird in Frage gestellt, schlecht geredet, für obsolet erklärt. Timothy Garton Ash beschrieb die Situation jüngst, dass wir konfrontiert seien ,mit der Globalisierung der Antiglobalisierung, einer populären Front von Populisten, einer Internationalen der Nationalisten‘. Wir spüren dies auch in unserer europäischen Nachbarschaft: Brexit, Europa-Feindlichkeit in vielen Ländern, populistische Bewegungen, die Wahlerfolge feiern, nationalistische Regierungen in EU-Staaten.“
Diese beunruhigende Situation werde auch Auswirkungen auf die Städteverbindungen haben. Philipp: „Die Bürgerschaften unserer Städte sind deshalb aufgerufen, dafür zu kämpfen, dass die alte Vision der Gründer aufrechterhalten bleibt, alles zu tun, dass die Völker zueinander finden statt sich voneinander abzugrenzen.“  
„Mit Toleranz und Frieden“
Wie Philipp erkannte auch Arnaud Robinet bei seiner Rede in der „cérémonie officielle“, „dass mit unserer Städtepartnerschaft, die die beiden historischen Krönungsstädte miteinander verbindet, nicht nur das historische Erbe geehrt wird, sondern auch das Europa von morgen gestaltet wird“. Robinet bekam viel Applaus für seine Forderung, „mit Toleranz und Frieden die Verantwortung für das Europa, in dem künftige Generationen miteinander leben, zu gestalten.“ Die Städte seien das Basislager jeder Demokratie, sagte Philipp. „Die Staatslenker vermögen nichts, wenn die Basis den von ihnen beschrittenen Weg nicht mitgeht.“
Der Aachener Oberbürgermeister formulierte einen Appell: „Lassen Sie uns gemeinsam in eine Zukunft gehen, indem wir uns weiter einsetzen für die deutsch-französische Freundschaft, für den Erhalt der Demokratie und unserer Freiheit, indem wir uns mit aller Kraft gegen diejenigen stellen, die zurückfallen wollen in Nationalismen, die Europa in Jahrhunderten so viel Leid gebracht haben! Lassen Sie uns weiter durch unsere Städtepartnerschaft Europa stärken, die Aussöhnung der Völker fördern, unsere Freundschaft leben und unsere Demokratie verteidigen!“
Die Begegnung als Basis des Miteinanders
Basis für das Miteinander, so die Oberbürgermeister, sei die Begegnung, der Austausch auf allen Ebenen. Wie exzellent dies in der Städtepartnerschaft Aachen-Reims funktioniert, stellten Philipp und sein französischer Amtskollege Robinet heraus, indem sie den Partnerschaftskomitees und ihren über die fünf Jahrzehnte aktiven Leitungen (derzeit Catherine Delot auf Reimser und Georg Schmidt auf deutscher Seite) dankten. Als besondere Geste der Anerkennung wurde der ehemalige Vorsitzende des Reimser Komitees, Henri Desdouits, für seine Verdienste mit dem Karlssiegel in Silber ausgezeichnet.
Die Feierlichkeiten zum Jubiläum der Jumelage sind somit angelaufen. Bereits am Freitag gab es ein Konzert in der Citykirche und anschließend einen Umtrunk im Centre Charlemagne, dem Aachener Stadtmuseum. Nicht geplante, aber umso herzlicher gefeierte, spontane Gäste waren Aachens Karnevalsprinz Thomas III. und sein Hofstaat, die mit allerbester Laune für gute Stimmung im Kreis der Städtepartner sorgten.
Am Sonntag (29. Januar) wird das Aachener Feierwochenende mit dem Karlsfest abgerundet. Der Tag beginnt mit dem Pontifikalamt im Dom (10 Uhr), ab 11 Uhr geht das bunte, mittelalterliche Treiben im Aachener Rathaus los. Mittendrin: die Reimser Delegation.
Der Gegenbesuch bei den französischen Freunden ist im April geplant, über das Jahr gibt es auf den unterschiedlichen Ebenen – von Schulen über Wirtschaft bis Kultur – zahlreiche Begegnungen.
ZUR GESCHICHTE DER PARTNERSCHAFT:
Die Städtepartnerschaft zwischen Reims und Aachen wurde vor 50 Jahren am gleichen Tag im Krönungssaal  (28. Januar 1967) offiziell gestartet.  „Das Jubiläum ist wirklich golden“, sagte Philipp, „wertvoll glänzend - und in einer schnelllebigen Zeit, auch selten. Mit dieser Partnerschaft wurde etwas äußerst Kostbares begründet.“  
Philipp beschrieb, dass die Jahre vor 1967 für Frankreich und Deutschland im Zeichen einer Annährungspolitik des damaligen französischen Präsidenten De Gaulle und des deutschen Bundeskanzlers Adenauer standen. Beide Länder hatten viele Kriege gegeneinander geführt. De Gaulle wie Adenauer strebten nach Frieden, nach guter Nachbarschaft, nach einem Bruch mit der verhängnisvollen Geschichte.
Beziehungsreich: Reims und Aachen
In Reims hatte es 1962 einen symbolischen Höhepunkt des Willens zur Aussöhnung gegeben, als die beiden Politiker in der Kathedrale an einer Messe teilnahmen und das „Te Deum“ von Charpentier hörten. Das Treffen in der Kathedrale war die Grundlage für den Élysée-Vertrag, mit dem Deutschland und Frankreich am 22. Januar 1963 wieder näher zusammenrückten. Mitte der 60er Jahre war es der sehnliche Wunsch vieler Europäer, den Frieden auf unserem Kontinent zu sichern. Zwischen Veteranenverbänden aus Reims und Aachen bestanden bereits seit Ende des Zweiten Weltkrieges Kontakte. Es gab schon vor der offiziellen Städtepartnerschaft private Beziehungen des Aachener Domchors, der mehrere Konzerte in Reims veranstaltet hatte.
Doch trotz des Abschlusses des deutsch-französischen Vertrages, der ausdrücklich zum Eingehen von deutsch-französischen Städtepartnerschaften ermutigte, dauerte es noch eine ganze Weile, ehe in beiden Städten eine Bereitschaft zur offiziellen Städteverbindung gegeben war. Offensichtlich musste in einem doch langwierigeren Prozess sehr vieles nach und nach abgearbeitet werden.
Dabei hatten beide Städte ein Potenzial aus historischen Bezügen zur Verfügung. Reims wie Aachen waren über Jahrhunderte Krönungsstädte, Ludwig der Fromme feierte sogar Krönungszeremonien in beiden Städten. Da sich auch das französische Königtum auf Karl den Großen bezog, sandte der in Reims neugekrönte König dem Aachener Marienstift nach jeder Krönung ein Prunktuch als Geschenk und dem Rat der Stadt eine Urkunde über die erfolgte Krönung. In Aachen wiederum wurden Exequien für den verstorbenen französischen König gefeiert.  
Die Oberbürgermeister Hermann Heusch und Jean Taittinger hatten bei der Unterzeichnung der Urkunde am 28. Januar 1967 in Aachen betont, dass die Partnerschaft nicht den Zweck habe, nur die Offiziellen zusammenzuführen, sondern breite Schichten an den Austauschaktivitäten zu beteiligen. Und dies geschah sehr rasch. Schulen und Vereine, Kulturgruppen und Chöre, Institutionen und die Hochschulen entwickelten ein reges Austauschprogramm.
Philipp brachte es in seiner Rede so auf den Punkt: „Man war neugierig aufeinander, wollte wissen, wie die Menschen in der Partnerstadt leben. So lernten die Aachener französische Lebensweise kennen, die Reimser probierten gut-bürgerliche deutsche Küche, bei Besuchen wurden Printenkisten und Champagnerflaschen getauscht. Aus Annäherung wurde Kennenlernen, aus Kennenlernen erwuchs Vertrautheit, das wiederum Vertrauen schuf und sich zu einer tiefen Freundschaft entwickelte.“
Tatsächlich wurde in einigen Fällen aus Freundschaft sogar tiefe und treue Liebe, denn es gibt etliche Ehen, die zwischen Reimsern und Aachener in den 50 Jahren geschlossen wurden.  
DIE URKUNDE VON 1967:

Der Text der Urkunde, die der damalige Reimser Bürgermeister Jean Taittinger und sein Aachener Amtskollege, Oberbürgermeister Hermann Heusch, am 28. Januar 1967 im Krönungssaal des Aachener Rathauses unterzeichneten, geht so:

„Getragen von dem Wunsch, Bande der Freundschaft und des gegenseitigen Verständnisses zu knüpfen, und geleitet von dem Willen, diese Verbindung durch eine gemeinsame Erklärung zu besiegeln, verkünden die Städte Aachen und Reims ihre Verschwisterung.

Sie wissen und sind überzeugt davon, dass diese Verbindung einen Beitrag zu dem gemeinsamen Bestreben beider Völker darstellt, zu einer beständigen Annäherung zu gelangen.

Aachen, die Bischofsstadt, wo die Abgesandten der Völker dem großen Karl als abendländischem Kaiser huldigten, wo die Erinnerung an ihn auch heute noch lebendig ist.

Reims, die Krönungsstadt der Könige, Geburtsstätte christlichen Glaubens in Westeuropa,

sehen ihren Weg in die Zukunft vorgezeichnet durch ihr gleiches Schicksal in vergangenen Zeiten und ihre geistigen Grundlagen, die sie durch kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Austausch zum Ziel der erstrebten beiderseitigen Annäherung führen sollen.
Wir, Hermann Heusch, Oberbürgermeister der Stadt Aachen, Jean Taittinger, Deputierter und Bürgermeister der Stadt Reims, haben diese Partnerschaft heute, am 28. Januar 1967, dem Feste Karls des Großen, im Krönungssaal des Aachener Rathauses unterzeichnet.

DER NEUE VERTRAG

Am heutigen 28. Januar 2017 unterzeichneten Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp und der Reimser Bürgermeister Arnaud Robinet eine Erneuerung des Städtepartnerschaftsvertrages. Der Text:

„Beide Städte wollen in der Verantwortung vor der Geschichte einen Beitrag leisten zum Frieden und zur Freiheit in Europa, zur Demokratie in unseren Ländern und zum Fortschritt der Gesellschaft. Sie wollen vor allem eine aktive und fördernde Rolle im Integrationsprozess wahrnehmen, bilaterale Projekte ihrer Bildungseinrichtungen, Verbände und Vereine auf den Gebieten der Kultur, des Sports, des Sozialen und der Jugendpolitik stärken und wirksame Beiträge zur Verständigung zwischen den Menschen in Europa leisten, indem sie die Bürger beider Städte einander näherbringen.

Schon heute wird die Städtepartnerschaft aktiv gestaltet. Sie ist in vielen unterschiedlichen Formen der Zusammenarbeit und der Begegnungen lebendig und hat zahlreiche langjährige Freundschaften bewirkt. In ihren vielfältigen Aktivitäten richtet sie sich vor allem an junge Menschen beider Städte, lädt sie ein mitzumachen, ihre Verantwortung für den Prozess des Miteinanders zu übernehmen und durch Austausch von Wissen, Erfahrung und Ansichten die Verständigung zu verbessern, die Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland zu intensivieren und die Entwicklung Europas positiv zu beeinflussen.

Die Städtepartnerschaft zwischen Reims und Aachen will die Bürgerinnen und Bürger ermutigen, im Respekt voreinander eigene Wege zu finden.

Lang lebe die Freundschaft zwischen Aachen und Reims.“

Foto: Stadt Aachen/Andreas Herrmann

Schon am Freitagabend gab es eine erste Begegnung im Centre Charlemagne. Spontaner und gern gesehener Gast war Karnevalsprinz Thomas III. mit seinem Hofstaat