Alles rund um Aachen

Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp hat am Wochenende beim "Flüchtlingsgipfel der Bürgermeister" im Vatikan eine Rede gehalten, die sich an den praktischen Erfahrungen ausrichtete, die in Aachen im Rahmen der Flüchtlingsbetreuung gesammelt wurden und werden. Jedoch blickte der Oberbürgermeister auch weit über den Tellerrand, indem er das Aufkeimen des fremdenfeindlichen Populismus in Europa als schwerwiegende Gefahr für ein tragfähiges gemeinsames Wertegerüst beschrieb. „Ich freue mich deshalb sehr über das Bekenntnis aller hier anwesenden Kolleginnen und Kollegen zur Solidarität“, sagte Philipp.  

Bürgermeister aus 19 europäischen Staaten

„Europa: Flüchtlinge sind unsere Brüder und Schwestern“ lautete der Titel der zweitägigen Tagung am Wochenende, zu der die Päpstliche Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit den Stadtoberhäuptern von Paris, Barcelona und Madrid eingeladen hatte. An dem Treffen nahmen rund 70 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus 19 europäischen Staaten teil. Für Marcel Philipp war es nach der Verleihung des Internationalen Karlspreises im Mai an den Heiligen Vater der zweite offizielle Besuch im Vatikan im Laufe des Jahres.
Nach seiner Rom-Reise bilanzierte Philipp am Montag positiv, dass im Kreise der europäischen Bürgermeister die Integration der Flüchtlinge als Chance begriffen würde. „Tatsächlich liegt in diesem Thema die Chance für ein gerechtes und humanes Europa“, sagte er.
„Die Menschlichkeit als Grundlage des Friedens“
Philipp hatte in seiner Rede die Gemeinschaft der Städte, wie sie in Rom erstmalig in dieser Form demonstriert wurde, als ideale Keimzelle beschrieben: „Ich komme aus dem Dreiländereck zwischen Deutschland, Niederlande und Belgien. Meine Stadt liegt direkt an der Grenze. Unser Alltag ist trinational, er ist nur möglich durch die Überwindung von Grenzen. Wir leben Europa - und Europa bedeutet Freiheit.“ Philipp zeigte sich kämpferisch: „Wann, wenn nicht jetzt, sollten wir die Errungenschaften der Europäischen Einigung verteidigen? Wann, wenn nicht jetzt, sollten wir uns auf die Menschlichkeit, die Grundlage für den Frieden, besinnen?“
In Aachen sagte er am Montag: „Ich wünsche mir, dass von diesem Treffen ein Signal für die Stärkung des Zusammenhalts in Europa ausgeht. Dieser Zusammenhalt möge uns im Interesse der Menschen, die dringend unsere Hilfe benötigen, die Kraft geben, gemeinsam global zu denken und zu handeln.“
Ein Vorschlag aus Aachen
Philipp hatte der Gemeinschaft der Bürgermeister gesagt: „Wir sind sicher, dass eine von Werten geleitete Politik sowie eine ruhige und in ganz Europa abgestimmte Handlungslinie richtig und wichtig wären.“ Der Aachener Oberbürgermeister forderte seine Kolleginnen und Kollegen auf, die manchmal kritische Einstellung der Nationen zur EU zu ändern in eine neue europäische Solidarität. „Unser jetzt geknüpftes Netzwerk sollte nicht abgekoppelt sein von europäischen Institutionen, nicht solitär aufgebaut werden. Ich schlage vor, diese Initiative an den Ausschuss der Regionen in Brüssel anzubinden.“
Den Städten wird eine entscheidende Rolle zugedacht
Klar wurde in Rom, sagte der Aachener Oberbürgermeister, „dass den Städten in der aktuellen Lage eine entscheidende Rolle zukommt. Denn die überwiegende Anzahl der Flüchtlinge kommt in den Städten an und findet dort Zuflucht.“ Von daher sei es wichtig, dass auch eine europäische Stadt wie Aachen den Austausch brauche. „Es geht tatsächlich darum, über den Tellerrand zu schauen und Verantwortung für unsere gemeinsame Zukunft zu übernehmen.“

Die Stadtoberhäupter suchten den Austausch untereinander über die Flüchtlingssituation in ihren Städten. Sie berichteten den Kolleginnen und Kollegen von den Herausforderungen der Aufnahme und Unterbringung, aber auch von Lösungsansätzen. Philipp: „Wenn wir an die Situation des Sommers und Herbstes 2015 zurückdenken, wo es bei uns in Aachen ganz konkret darum ging, in kurzer Zeit eine große Zahl von Flüchtlingen unterzubringen, war das selbst für eine weltoffene Stadt wie die unsere eine gewaltige Herausforderung.“ Der Oberbürgermeister stellte in Rom vor allem die gemeinschaftliche Leistung heraus: „Wir haben das mit vereinten Kräften gemeistert. Das war ein Miteinander von Stadt, Hilfsorganisationen, Kirchen und hunderten Bürgerinnen und Bürger, die sich auf großartige Weise ehrenamtlich engagiert haben – und das immer noch tun.“

Vielzahl gewonnener Eindrücke bewegt
Philipp zeigte sich von der Vielzahl der gewonnenen Informationen bewegt. „Das Treffen hat sich gelohnt, weil es Eindrücke aus erster Hand geliefert hat und zeigt, dass wir solidarisch mehr erreichen können“, sagte der Aachener Oberbürgermeister.
Das Treffen stand in engem Zusammenhang mit der päpstlichen Enzyklika „Laudato Si“. Darin hatte Papst Franziskus vor einem Jahr auf der Grundlage des Standes der Wissenschaft einen Aufruf zu Dialog und Handeln an Politik und alle Menschen gerichtet. Auch bei seiner Karlspreis-Rede hatte der Papst das Schicksal der Flüchtlinge und die Verantwortung Europas thematisiert.

Information: In der rund 250.000 Einwohner zählenden Stadt Aachen leben knapp 2.400 Flüchtlinge (Erwachsene und Kinder in Familien) und über 600 unbegleitete minderjährige Ausländer.