RWTH

Es herrschte eine heitere Aufbruchstimmung im berühmten Aachener Dressurstadion. Dort wurden am Samstag mehr als 1000 Absolventinnen und Absolventen der RWTH Aachen bei einem fakultätsübergreifenden Graduiertenfest mit dem herzlichen Motto „Tschö Wa“ in einen neuen Lebensabschnitt verabschiedet. Bei sommerlichen 25 Grad Celsius liefen die Graduierten nach Fakultäten eingeteilt ins Stadion ein, bejubelt von rund 4000 Familienangehörigen, Freunden und Gästen aus Hochschule und Politik. Die passende Filmmusik zum Einmarsch der neun Fakultäten lieferte wie in den Jahren zuvor die Koninklijke Philharmonie aus dem niederländischen Bocholtz.

Foto: Andreas Schmitter / Mehr als 1000 Graduierte der RWTH werfen ihre Hüte in die Höhe

RWTH-Rektor Ernst Schmachtenberg und Kanzler Manfred Nettekoven, der die Veranstaltung moderierte, gratulierten den Absolventen zu ihren Abschlüssen: Bachelor, Master oder Promotion. Mehr als 160 wurden wegen herausragender Abschlüsse gesondert geehrt. Auch Gold- und Silberjubilare saßen im Innenraum des Stadions vor der großen Bühne. Sie starteten vor 50 oder 25 Jahren ihre berufliche Laufbahn und machten Karriere in Wirtschaft und Wissenschaft. Die Absolventen dieses Jahres seien gestandene Persönlichkeiten und gerüstet für die Herausforderungen ihrer beruflichen Zukunft, betonte Rektor Schmachtenberg. An die Eltern gewandt erklärte er: „Sie könnten jetzt aufhören, sich Sorgen zu machen, denn aus Ihren Kindern wird wahrscheinlich was.“

Zu den Gratulanten im Rund des Dressurstadions gehörte auch Oberbürgermeister Marcel Philipp. Er lobte die Leistung der Hochschule, die es trotz „Überlast“ geschafft habe, gute Studienbedingungen zu bieten. Den Absolventen riet Philipp, die an der Hochschule geknüpften Kontakte weiter zu pflegen und sich dem globalen Netzwerk der RWTH-Absolventen anzuschließen, die sich als Alumni für „ihre“ Hochschule engagieren. Auch RWTH-Kanzler Nettekoven appellierte an die Graduierten, dem Standort Aachen verbunden zu bleiben.

„Wir brauchen Sie hier in der Wirtschaft und in der Wissenschaft, weil noch viele Probleme gelöst werden müssen“, betonte NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze. Im lockeren Talk mit Wenzel Wittich, dem AStA-Vorsitzenden der RWTH, pries sie die Hochschule als „Perle im Wissenschaftssystem“, die den Absolventen viel abverlangt hätte. „Sie alle haben hervorragende Fähigkeiten bewiesen. Nutzen Sie das für eine Karriere in einem Unternehmen oder an einer Hochschule. Und reden Sie überall gut über die RWTH, sie hat es verdient.“

Die Festrede an die Graduierten hielt Astronaut Dr. Thomas Reiter. Er hatte am Abend zuvor den Aachener Ingenieurpreis erhalten, den die Stadt Aachen und die RWTH mit Unterstützung der Sparkasse seit 2014 verleihen. Der 58-Jährige, der bei der ESA wichtige Projekte verantwortet, berichtete von seiner beruflichen Karriere, seinen beiden Langzeitaufenthalten im Weltall auf der russischen MIR-Raumstation und der ISS, die von Europa, den USA, Kanada, Russland und Japan betrieben wird. Er sei als Kind geprägt worden von den Bildern der Mondlandung. Und es habe ihn beschäftigt, wie man das Wissen über den irdischen Horizont hinaus erweitern könne.

Reiter erzählte von der robusten russischen Technik, bei der er einmal ein Gerät mit Hilfe einer Gitarrenseite ausbessern konnte, und „manchmal auch ein Tritt gegen die Wand ausreichte“, um die gewünschte Funktion in Gang zu setzen. Andererseits erforderten die kompakten Funktionselemente der ISS Spezialwerkzeug und Fachleute in der Bodenstation. Die heutige Gesellschaft sei hochgradig abhängig von Technologien, doch gleichzeitig fehle vielen Menschen das Verständnis dafür. Die Absolventen – vor allem die Ingenieurinnen und Ingenieure unter ihnen – erlebten gerade den Aufbruch in eine neue industrielle Epoche, das Internet der Dinge, die Industrie 4.0. „Ich bin sicher, dass die Graduierten bestens vorbereitet sind für diese neuen Herausforderungen“, sagte Reiter.

Zum Schluss schilderte Reiter seine faszinierenden Eindrücke beim Blick aus dem All auf die Erde, der „einfach überwältigend“ sei. Doch sogar aus dem All könne man manchmal die Zeichen von Krieg und Umweltzerstörung sehen. Auf dem Planeten gehe es also bei weitem nicht so friedlich zu, wie es den Anschein habe. „Helfen Sie mit, den Anblick unserer Erde mit unserer Wirklichkeit hier unten in Einklang zu bringen“, lautete Reiters Apell.

Das Graduiertenfest, das alleine durch Sponsoring insbesondere der Sparkasse Aachen finanziert wurde, endete traditionell mit dem Hochwerfen der schwarzen Graduiertenhüte und Beethovens „Ode an die Freude“.