Liebe, Eifersucht, Rache, Verzweiflung

Seit fünfzig Jahren steht die dritte Oper „Jenufa“ des tschechischen Komponisten Leos Janacek wieder auf den Spielplan des Theater Aachen. Der Regisseur Michael Helle arbeitet in seiner Inszenierung die Charaktere der einzelnen Protagonisten auf ganz besonders innige und gefühlvolle Weise heraus.

Als sich der Vorhang zum ersten Akt hebt, sieht man einen Raum, der mit Wellblechen ausgekleidet Ist. In der Mitte der Bühne steht ein Tisch und an der Seite hängt ein Waschbecken. Ansonsten ist die Bühne leer. Jenufa (Linda Ballova) wartet ängstlich auf die Ausmusterung von Militär ihres geliebten Stewa von dem sie ein Kind erwartet. Wenn Stewa zum Militär muss, können die beiden nicht heiraten und Jenufas Schande wird offenbar. Als Stewa (Johan Weigel) die Botschaft bringt, das er ausgemustert worden ist, ist er betrunken. Darauf besteht die Küsterin (Irina Popova) auf ein Probejahr bevor Stewa ihre Ziehtochter Jenufa zur Ehefrau bekommt. Der allein gebliebenen Jenufa versucht Laca (Chris Lysack) die Liebe zu seinen Stiefbruder auszureden. Doch Jenufa glaubt an die Liebe zwischen Stewa und ihr. Darüber ist Laca enttäuscht, vor lauter Frust und Verzweiflung fährt er ihr, um sie zu entstellen, mit einem Messer durch das Gesicht. Als ihm seine Tat bewusst wird, läuft er mit Reue davon.

Foto © Carl Brunn / Theater Aachen

Nach ein paar Dissonanzen im ersten Akt lässt Helle uns im zweiten haarklein miterleben, wie es zum schrecklichen Kindesmord der Küsterin kommt. Dabei gelingt ihm eine großartige, beklemmende Verdichtung. Jenufa hat ein halbes Jahr nach der Attacke von Laca ein Kind geboren. Die in ihrem Stolz verletzte Küsterin versucht Stewa zur Ehe zu überreden. Der aber weint und gesteht das er sich inzwischen in die Richtertochter Karolka verliebt hat und diese auch heiraten will. Für das Kind will er aber finanziell aufkommen. Als Jenufa schläft, nimmt die Küsterin das Kind und ertränkt es im Bach. Alle sollen glauben, Jenufa hätte das Baby tot zur Welt gebracht. Die Mutter erwacht und sucht ihr Kind mit Verzweiflung. Jenufa hat Angst und ahnt was geschehen ist. Als die Küsterin ihr sagt, das ihr Baby gestorben ist bricht Jenufa zusammen. Es ist unsagbar jammervoll, ihr beim Zerbrechen zuzusehen. Laca tröstet Jenufa und bittet sie, ihn zu heiraten.

Foto © Carl Brunn / Theater Aachen

Es sind zwei Monate vergangen. Die Hochzeitsfeier von Jenufa und Laca. Alle Dorfbewohner sind versammelt, während des Fests herrscht eine merkwürdige, bedrückte Stimmung. Da kommt ein Knabe und berichtet das im Bach ein totes Kind gefunden wurde. Anhand der Kinderrmütze stellt Jenufa entsetzt fest, das es sich bei der Leiche um ihren Sohn handelt. Die Besucher beschuldigen Jenufa ihr eigenes Kind getötet zu haben. Als die Meute auf sie los geht, gesteht die Küsterin ihre Tat. Jenufa betet zu Gott und verzeiht ihrer Stiefmutter. Die Küsterin ist reuig vor Schuld und bittet die Gäste sie nicht zu verdammen. Sie geht so ihren Gerichtsurteil entgegen. Jenufa gibt Laca frei, doch der will nun erst recht zu ihr stehen. Nun lernt Jenufa wahres Leben und wahre Liebe kennen.

Das Ensemble zeigt sich exzellent, allen voran Linda Ballova, die die Titelfigur verkörpert. Überzeugend interpretiert sie das junge Bauernmädchen, das dieses schreckliche Schicksal tragen muss. Mit Leichtigkeit bewältigt die Sängerin die schwere Partie in allen Lagen. Linda Ballova überzeugt das Publikum mit den typischen Ton des Komponisten. Irina Popova als Küsterin beherrscht ebenfalls diesen von Janacek entwickelten Kompositionsstil. Wovon die Worte schweigen müssen, davon spricht Janáčeks Musik. Popova, die sich mit großer Intensität in die Rolle der Küsterin wirft, mischt dem schneidenden und verhärmten Duktus dieser Frau auch einmal wärmere Farben bei. Sie spielt und singt die Partie mit wahrer Wonne. Johan Weigel als Stewa wirkt stimmlich ein wenig blass und kämpft immer wieder mit Höhenproblemen. Chris Lysack singt und spielt die sanftmütige Partie des Laca auf sehr hohen Niveau. Die kleineren Partien sind überaus überzeugend.

Foto © Carl Brunn / Theater Aachen

Rundum ist diese Jenufa Produktion eine große Ensembleleistung. Das Sinfonieorchester unter GMD Kazem Abdulla begleitet die Protagonisten mit der überwältigen Musik des Komponisten. Nur im ersten Akt gibt es Passagen, in denen das Orchester zu laut ist und die Sänger überdeckt. Das Vorspiel wirkt ein wenig rasch. Aber im Großen und Ganzen entflammt der besonders farbenreiche und frische Musikduktus des Komponisten auf ganzer Linie und sorgt für Gänsehautstimmung.
Weitere Aufführungen siehe: www.theateraachen.de

Artikel © Hardy Kleidt
Fotos © Carl Brunn / Theater Aachen