Alles rund um Aachen

Ghetto, sozialer Brennpunkt, Armenhaus - diese Klischees und Vorurteile über die Robert-Koch-Straße am Bahnhof Rothe Erde und ihre Bewohner halten sich hartnäckig. Doch wer sich näher mit den Menschen in diesem Viertel beschäftigt, erlebt ein kreatives Alltagsleben. In einem Initiativ-Arbeitskreis gestalten Nachbarn und verschiedene Einrichtungen vor Ort gemeinsam einfache Lösungen zur Verbesserung des Wohnumfeldes. Ob beim gemeinsamen Aufräumen im Rahmen der Aktion „Frühjahrsputz“ oder beim sommerlichen Straßenfest – immer mehr spürt man die inzwischen gewachsene Gemeinschaft der Robert-Koch-Straße, die auch die städtische Quartiersmanagerin Myriam Rawak gut bekannt ist.

Eines dieser Projekte, mit denen aktuell der öffentliche Raum aber auch die Gemeinschaft der Robert-Koch-Straße „belebt“ wird, ist das BIWAQ -Projekt, das unter Federführung des städtischen Fachbereichs Wirtschaft, Wissenschaft und Europa sowie zahlreicher Projektpartner realisiert wird. Myriam Rawak: „Gerade weil ich durch intensive Netzwerkarbeit die Situation rund um den Bahnhof Rothe Erde gut kenne, habe ich vor Ort den verschiedenen Einrichtungen das Projekt BIWAQ vorgestellt und alle interessierten Personen an einen Tisch gebracht“.

Lernort für Qualifizierung und Integration
BIWAQ steht für Bildung, Wirtschaft und Arbeit im Quartier und ist ein aus EU- und Bundesmitteln gefördertes Projekt zur Arbeitsmarktförderung bei gleichzeitiger Stadtteilentwicklung. Als Partnerprogramm von „Soziale Stadt" gestaltet das Projekt unter fachlicher Anleitung und Begleitung in Aachen-Nord und -Ost Flächen, die allgemein oder einer größeren Personengruppe zugänglich sind, mit langzeitarbeitslosen Menschen. Die Projektleitung liegt  im Fachbereich Wirtschaft, Wissenschaft und Europa. Als Qualifizierungs- und Beschäftigungsträger sind das Sozialwerk Aachener Christen (für den Bereich Garten- und Landschaftsbau) sowie die low-tec gemeinnützige Arbeitsmarktförderungsgesellschaft (für den Bereich der Holz-, Metall- und Nähwerkstätten) eingebunden.

Ideenworkshops vor Ort
Bereits seit Februar dieses Jahres findet ein umfangreicher Beteiligungsprozess mit Ideenworkshops vor Ort für die Gestaltung der Flächen statt. Eingebunden sind dabei neben der Projektleitung und Vertretern beider Projektpartner auch das Quartiersmanagement des Fachbereiches Wohnen, Soziales und Integration, Vertreter der Caritas (als Träger des Don-Bosco-Hauses), des Sozialdienstes Katholischer Frauen (als Träger des Nachbarschaftstreffs) sowie der Abteilung Übergangswohnen. Bei der Stadt Aachen stehen unter anderem die Fachbereiche Stadtentwicklung und Verkehrsanlagen, Stadtbetrieb, Umweltamt sowie das Gebäudemanagement bereit, um einen reibungslosen Ablauf des Projekts zu gewährleisten.   

Unter dem Motto „All Eyes on Green Spots“ sollen durch BIWAQ neue Aufenthaltsqualitäten im Viertel initiiert werden, die das soziale Umfeld verschönern, gleichzeitig aber auch den Zusammenhalt der Menschen untereinander stärken. Im Mittelpunkt stehen aber vor allem die an BIWAQ teilnehmenden Personen. „Umgesetzt werden diese wohnwertsteigernden Ideen insbesondere durch langzeitarbeitslose und geflüchtete Menschen, aber auch durch Ehrenamtliche und Nachbarn“, berichtet Projektleiterin Sabine Will vom städtischen Fachbereich Wirtschaft, Wissenschaft und Europa. Quasi und geradezu beiläufig soll so im Quartier ein Lernort für Qualifizierung und Integration entstehen.

Besonders die Kinder sind mit Spaß dabei
„Dieses Projekt ist ein wahres Geschenk für unsere Straße“, freut sich Marion Stickelmann vom SkF-Nachbarschaftstreff. „Viele Bewohner und Bewohnerinnen der Häuser hier oder aus dem Don-Bosco-Haus der Caritas nehmen daran teil. Sie können so ihr Lebensumfeld selbst gestalten, sich aber gleichzeitig auch für den Arbeitsmarkt fit machen. Besonders die in der Nachbarschaft lebenden Kinder sind mit Spaß und vielen kreativen Ideen dabei.“  

„Wertschätzung und Anerkennung“ erfährt so der 29-jährige Simon aus der Arbeit an BIWAQ und Jaron (31 Jahre) entdeckte über die Teilnahme an dem Projekt seine Liebe zum Werkstoff Holz. Der 49-jährige Horst erzählt, dass er nach langer Arbeitslosigkeit durch BIWAQ wieder mit anderen Menschen in Kontakt gekommen ist. „Für mich ist es wichtig“, sagt er, „dass ich dabei durch persönliche Gespräche viel Unterstützung im Alltag erfahre und eigene Grenzen austesten kann.“

Highlight wird ein in den Hang gebautes Amphitheater werden
Ideenworkshops vor Ort sorgten bereits für viele kreative Konzeptideen. Fachanleiter Christof Konze vom Sozialwerk Aachener Christen hat hier schon sehr konkrete Vorstellungen, wie er mit seinen Kollegen und Kolleginnen von der low-tec die Grünanlagen zwischen den Häusern der Robert-Koch-Straße veredeln möchte. Neben Anpflanzungen von heimischen Sträuchern und Bodenbedeckern stehen auch eine Feuerschale, eine Pergola sowie eine Boulebahn auf seiner To-do-Liste. Konze ergänzt: „Wir möchten mit den Teilnehmern des Projekts außerdem eine Terrasse mit Sitzgelegenheit bauen und für andere Projekte manchmal auch einfach nur einen Eimer Farbe in die Hand nehmen. Highlight wird aber ein selbst in den Hang gebautes Amphitheater werden.“  

Ruth Klöble vom Don-Bosco-Haus ist überzeugt, dass die neuen „Aufenthaltsqualitäten“ nach Fertigstellung von den Bewohnern gut genutzt werden und möchte mit ihren Klienten im Rahmen einer Tagesstruktur für die nachhaltige Pflege selbiger sorgen. „Diese Tätigkeit wird von der Aachener Bevölkerung bestimmt sehr positiv aufgenommen und gibt den Teilnehmenden darüber hinaus  das Gefühl, wieder ein Teil des Ganzen zu sein.“

Das Leben wieder selbstständig gestalten können
Das bestätigt auch Wolfgang Offermann von der Caritas Aachen: „Solche Aktionen steigern das Selbstwertgefühl der betroffenen Menschen. Sie können endlich etwas tun – etwas wiederentdecken, was oft lange verschüttet war.“ Im Optimalfall kräftigt die Arbeit im Projekt auch die Motivation, einfach so weiter machen zu können. Wolfgang Offermann: „Wieder auf dem ersten oder zweiten Arbeitsmarkt arbeiten und das Leben selbstständig gestalten zu können, dass ist, was bereits einige ehemalige BIWAQ-Teilnehmer erreicht haben und was hoffentlich noch viele Menschen nach Ihnen erreichen können.“

BIWAQ-Leiterin Sabine Will sagt: „Vor allem möchten wir die Anwohner mit diesem Projekt anregen, Spuren zu hinterlassen, sich aktiv einzubringen und das eigene Quartier mitzugestalten. Ihre Meinung und ihre Mithilfe sind uns besonders wichtig.“

Für den Green Spot an der Robert-Koch-Straße werden übrigens momentan noch Unterstützer jeder Art gesucht. Ansprechpartnerin ist Marion Stickelmann vom Nachbarschaftstreff der Robert-Koch-Straße. Sie ist unter den Telefonnummern 0241-1684076 und 0176 55611653 zu erreichen.