Das Suermondt-Ludwig-Museum hat den für seine digitalen Metamorphosen weltweit beachteten Düsseldorfer Künstler Volker Hermes (*1972) eingeladen, sechs Porträts der hauseigenen Sammlung künstlerisch zu bearbeiten. Die Ergebnisse sind fesselnd, humorvoll und sozialkritisch. Sie schlagen die Brücke in unsere heutige Zeit und konfrontieren uns mit aktuellen Aspekten wie Gleichberechtigung, Diversität oder dem Verständnis von sexueller Identität.
„Volker Hermes beschäftigt sich immer auch mit den Geschichten hinter dem Dargestellten", unterstreicht Sarvenaz Ayooghi, Kuratorin der Ausstellung. „Zum Beispiel mit dem Lebensweg einer porträtierten jungen Frau, die zu einer Heirat gezwungen wurde und daran zerbrach. Diese Aspekte bringt er in seinen Interventionen subtil zum Ausdruck."

Im 15. und 16. Jahrhundert ist das Bildnis nicht länger ein Privileg der Herrschenden. Die Nachfrage an Porträts führte in ganz Europa vielmehr zu einer ersten Blütezeit des Genres, wobei der „moderne" Mensch in Haltung und Gesichtsausdruck, in Gestik sowie ausgewählten Accessoires so präsentiert wird, wie sie oder er sich selbst sieht oder gesehen werden will. Im 17. Jahrhundert erfährt das Repräsentationsbedürfnis in der barocken Porträtkunst einen erneuten Aufschwung: Prunkvolle Gewänder und pompöse Draperien gepaart mit stilisierten Posen bestimmen nunmehr die Inszenierungen. Dabei ist und bleibt die Herausforderung, die Persönlichkeit und „die Seele" der dargestellten Person einzufangen, also genau die Fähigkeit, welche Schriftsteller sich seit der Antike selbst anmaßen und den Künstlern absprechen wollen.

Genau hier setzt Volker Hermes an, der mit seinen digital bearbeiteten Bildern die Normen des Genres aufbricht und das Individuelle paradoxerweise genau dadurch zum Ausdruck bringt, indem er die Gesichter verhüllt. „Wir leben in einer durch und durch individualisierten Gesellschaft und sind sehr fokussiert auf Gesichter", so der Düsseldorfer Künstler. „Dadurch, dass ich den Zugang zum Gesicht blockiere und einzelne Details auf die Spitze treiben, irritiere ich die Betrachtenden und zwinge sie, sich genau auf dem Bild umzuschauen. Gerade durch die Verhüllung kann ich den Blick lenken – auch auf Aspekte wie Geschlechterrollen oder Gleichberechtigung."

Dabei fügt er Bildern von außen nichts hinzu, alle Elemente der Verhüllung stammen aus dem Porträt selbst, das Dargestellte bleibt immer erkennbar. Es ist ein Spiel zwischen Hülle und Inhalt, zwischen Verschleiern und Entblößen, zwischen Distanz und Nähe, und auch ein Dialog zwischen Auge und Zeit.

„Diese Ausstellung spiegelt einen langgehegten Wunsch wider: Zeitgenössische Künstler und Künstlerinnen werden eingeladen, in einen Dialog mit der Sammlung zu treten", erläutert Till-Holger Borchert, Direktor des Suermondt-Ludwig-Museums. „Wir wünschen uns, dass durch solche gezielt künstlerischen Interventionen die Aktualität der ausgestellten Werke einem breiten Publikum zugänglich gemacht wird. Dieser Ansatz der neuen Seherfahrungen ist in der Ausstellung mit Volker Hermes ideal gelungen, und dies möchten wir gerne auch in Zukunft weiterverfolgen."

Im Kaminraum des Museums ist noch ein anderer Aspekt aus dem Œuvres von Volker Hermes zu sehen: Dort sind neun Marinebilder ausgestellt, die alle auf historischen Gemälden basieren, aber gänzlich neue Interpretationen erfahren und zu eigenständigen Kompositionen mutieren. Mit analytischem Blick baut Hermes die Seestücke versatzstückartig nach dem Prinzip Himmel, Horizont und Meer auf und empfindet sie in einer Mischung aus Zeichnung und Malerei nach. Durch den Einsatz von Acryl, Edding und Graffitimarkern, die alle einen permanenten Charakter haben, wird das Momenthafte in der Darstellung betont und die Dramatik anhand von Linien, Abstraktionen und Farbverläufen verstärkt.


Kuratorin der Ausstellung: Sarvenaz Ayooghi

03.03. bis 09.06.2024
Eröffnung: So 03.03. um 15.00 Uhr


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