Jedermann lerne von Orlando, dass man in der Liebe oft den Verstand verliert. Anstaltsleiter Zoroastro formuliert gegen Ende des dritten Aktes von Händels Oper "Orlando" eine Lebensweisheit, die so naheliegend, so altbekannt erscheint und doch vielfältige Irrungen und Wirrungen hervorruft.
Jarg Pataki (Regie) verlegt die Protagonisten der Oper, Orlando, Anglica, Medoro und Dorinda in ein Irrenhaus. Alle vier haben sich in ihrem Materialismus und Erfolgsleben so weit verloren, das sie ein Burnout-ähnliches Krankheitssymtom haben. Die Szenerie erinnert ein wenig an Peter Weiss Theaterstück „Die Verfolgung und Ermordung des Jean Paul Marats“, das ebenfalls in einer Psychiatrischen Anstalt spielt. Die Drehbühne ist in ein Labyrinth von Räumen aufgeteilt, in denen sich kuriose Gruselgestalten aufhalten, die sichtbar seelisch krank sind. Mal ist es eine ältere Frau, die um ihr Leben strickt. Eine andere Frau zerlegt Puppen und hängt die Beine und Arme zelebrierend und pedantisch sortiert auf eine Leine. Es wirkt alles sehr dämonisch und irreal aber assesoiert dem Zuschauer, wie krank unsere reale Welt ist.
Countertenor Antonio Giovannini gab einen Titelhelden zwischen zarter Romantik, wilder Entschlossenheit und irrwitzigem Wahn, der ganz der anfänglichen Aufforderung Zoroastros Folge leistete: "Erhebe Dein Herz zu großen Taten!" Die eingehenden Accompagnato-Rezitative, ein spezielles Charakteristikum der Händel-Oper "Orlando", geben dem Solistenensemble die Möglichkeit, die Emotionen der einzelnen Charaktere beeindruckend auszuleben. Giovanninis Timbre hat seine ganz eigene Weichheit, zugleich zeigt es das erstaunliche Maß an Kraft und Kontur aber auch die wunderbare Farbigkeit seiner Stimme.