RWTH

Studie von RWTH Aachen und ETH Zürich in der Zeitschrift Science veröffentlicht. Seit den frühen 1950er Jahren haben synthetische Kunststoffe in fast alle Bereiche des Lebens Einzug gehalten, hierzu gehören Verpackungen, Transport, Gebäude, und auch das Gesundheitswesen. Infolgedessen hat sich der Kunststoffverbrauch zwischen 1964 und 2014 verzwanzigfacht, von 15 auf 311 Millionen Tonnen pro Jahr. Eine zunehmende Verschmutzung der Umwelt mit Kunststoffmüll ist eine Folge, hinzu kommen der weltweite Ölverbrauch und die mit der Produktion verbundenen Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen).

Raoul Meys, Lehrstuhl für Technische Thermodynamik der RWTH Aachen, und Professor André Bardow, Lehrstuhl für Energie- und Prozesssystemtechnik der ETH Zürich und ehemals RWTH, zeigen nun in einer Studie, dass durch eine Kombination aus Recycling, Biomassenutzung und Kohlenstoffabscheidung und -nutzung (CCU), sogenannte Netto-Null-THG-Emissionen von Kunststoffen erreicht werden können. Die Studie basiert auf einem neuen ganzheitlichen Modell der globalen Plastikproduktion und -entsorgung und wurde jetzt in der Zeitschrift Science vorgestellt.

Netto-Null bedeutet, dass alle durch Menschen verursachten THG-Emissionen wieder aus der Atmosphäre entfernt werden und somit die Klimabilanz Null beträgt. Um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen alle drei Kreislauftechnologien Recycling, Biomassenutzung sowie Kohlenstoffabscheidung und -nutzung verwendet werden. Zu den Strategien zur Verringerung der THG-Emissionen gehören die Dekarbonisierung der Energieversorgung in der Kunststofflieferkette von der Ölförderung bis zur Kunststoffproduktion und der Ersatz fossiler Kohlenstoffinputs durch geschlossene Kreislauftechnologien wie chemisches und mechanisches Recycling, Biomassenutzung und Kohlenstoffabscheidung und -nutzung.

Bei einer optimalen Kombination kann der Energiebedarf der zirkulären Industrie so weit gesenkt werden, dass dieser um bis zu 53 Prozent im Vergleich mit einer fossilen Industrie mit umfangreicher Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) geringer ausfällt. Zusätzlich liegen die Betriebskosten für Netto-Null-Emissionen-Kunststoffe dabei in der gleichen Größenordnung wie bei der linearen fossilen Produktion mit CCS und können unter vorteilhaften Bedingungen sogar deutlich reduziert werden. Auch wenn der geringere Energiebedarf zunächst ungewöhnlich erscheinen mag, lässt er sich durch Energieeinsparung über den gesamten Lebenszyklus und Recycling begründen: Die fossil, bio- und CO2-basierenden Pfade können die in den Kunststoffen enthaltene Energie nur bei der Abfallverbrennung zurückgewinnen, die unweigerlich zu Ineffizienzen führt und damit Energie verloren geht. Im Gegensatz dazu bewahrt das Recycling den Energiegehalt von Kunststoffen durch die Wiederverwendung und senkt damit den Nettoenergiebedarf. Um allerdings das maximale Kosteneinsparungspotenzial zu erreichen, müssen Biomasse und CO2 kostengünstig zur Verfügung stehen, die Förderung und Bereitstellung von Öl verteuert sowie Investmentanreize für das Recycling gesetzt werden.

Die Autoren zeigen, dass der Einsatz politischer Instrumente, um die Verfügbarkeit von Kunststoffabfällen als Ressource zu erhöhen und wirtschaftliche Anreize für verstärkte Investitionen in die Biomasse- und CO2-Nutzung zu schaffen, den Weg zu Kunststoffen mit Netto-Null-Emissionen fördern kann. Damit könnte die Kreislaufwirtschaft die Produktionssysteme so umgestalten, dass durch die Entkopplung von fossilen Kohlenstoffressourcen, Kunststoffe mit Netto-Null-Emissionen bei geringerem Energiebedarf und geringeren Betriebskosten erreicht werden. Wirtschaftliches und ökologisches Wohlergehen wären so miteinander verbunden.