RWTH

Warum hört man den Flügelschlag der Eule nicht? Kleine Federstrukturen an der Vorderkante des Flügels verbessern den Luftstrom und reduzieren Geräusche, fanden Forscher aus Aachen und London jetzt heraus. Diese Erkenntnis könnte auch für die Luftfahrt interessant sein. Wenn sich die Eule in der Nacht auf die Beute stürzt, ist kein Flügelschlag zu hören. Jetzt haben Forscher in Aachen und London ein weiteres Puzzleteil entdeckt, wie die Jägerin es schafft, geräuschlos in der Dunkelheit zu fliegen.

Grund ist ein besonderes physikalisches Merkmal der Federn an der vorderen Flügelkante, das zur Geräuschminderung beiträgt. Dies könne richtungsweisend sein für die Entwicklung leiserer Flugzeuge, Drohnen oder Ventilatoren.

Die Federstrukturen sehen aus wie ein Kamm mit vielen nebeneinanderliegenden kleinen Häkchen, wie Professor Hermann Wagner vom Institut für Zoologie der RWTH Aachen erläutert. So werde die Luft durch die Hakenkämme beim Fliegen nach innen gelenkt, das verursache weniger Reibung an der Flügelspitze, Turbulenzen oder weitere geräuschvolle Effekte, der Luftstrom werde verbessert. Das sei ein weiterer Grund, warum Eulen anders als Tauben, Gänse oder Bussarde beim Fliegen keine Geräusche machten. Dieser besondere Effekt der Umlenkung der Luft ist nun in einer gemeinsamen aktuellen Studie erstmals belegt.

Der Projektpartner Professor Christoph Bruecker von der City University of London betont, dass die die Mikrostrukturen der Eulenfedern auf die Luftfahrt übertragbar sind. Bruecker promovierte und habilitierte an der RWTH und leitet jetzt das Londoner Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt. Durch die üblichen gepfeilten Flügel, deren Winkel zur Flugzeugachse hin angepasst sind, entstünden Luftverwirbelungen, die zur Lärmentwicklung am Flügel beitragen, so der Aerodynamiker. Diese Effekte könnten nach dem tierischen Vorbild künftig gedämpft werden. Das ermögliche neue Konzepte zur Konstruktion der Laminarflügel und eine Reduzierung des Treibstoffverbrauchs.

 

Federstruktur mit 3D-Druck zehnfach vergrößert

Eulen jagen in der Nacht auf Gehör, berichtet Wagner, der seit 35 Jahren mit Eulen forscht. Um das Rascheln der Beutetiere wie Mäuse zu hören, dürfen sie selbst beim Fliegen keine Geräusche machen. Die Anpassung in der Evolution finde man auf den Flügeln und den Schwungfedern der Eulen: Sie verfügen einzigartig über eine Oberfläche mit sehr weichen Härchen, flexiblen Fransen an der Flügelhinterseite und dem Hakenkamm an der vorderen Flügelkante. Man habe zwar vermutet, dass diese Anpassungen die Geräuschunterdrückung bewirken, wusste aber nicht, wie das System genau funktioniert. Die Funktion des Hakenkamms an der Vorderseite des Flügels ist jetzt entschlüsselt – aus Sicht des Aachener Zoologen, der auch im Ruhestand zum Thema forscht, ein Fortschritt in der Grundlagenforschung: „Unsere Befunde bringen eine neue Sicht der Dinge und sind deshalb wichtig.“

Die Aachener haben für die Studie einen Hakenkamm aus den kleinen Federstrukturen mit einem Mikro-CT gescannt und dann in einem 3D-Drucker zehnfach vergrößert ausgedruckt. Diese exakte Struktur war laut Wagner erstmalig Grundlage für quantitative Untersuchungen. Bruecker und sein Team haben mit dieser ein abstrahiertes generisches Modell erzeugt, um die Strömung zu untersuchen. Sie kamen zu einem erstaunlichen Ergebnis: Die Luft wurde nach innen abgelenkt, entgegen der Richtung, wenn der Hakenkamm entfernt wurde. Die Ablenkung nach innen diene dazu, Turbulenzen zu unterdrücken und damit auch den Flug leiser und effektiver zu machen. Zuvor war unbekannt, dass die Häkchen die Luft in dieser Weise ablenken, berichtet Wagner.

Der RWTH-Zoologe Hermann Wagner forscht seit 35 Jahren mit Eulen und veröf-fentliche jetzt mit einem Wissenschaftlerteam eine Studie zum lautlosen Flug der Nachtvögel.

Foto: Peter Winandy

Veröffentlicht in:

Journal Bioinspiration & Biomimetics

Titel „Flow turning effect and laminar control by the 3D curvature of leading edge serrations from owl wing“

von Muthukumar Muthuramalingam, Edward Talboys, Hermann Wagner and Chris-toph Bruecker

Accepted Manuscript, November 2020