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Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp ist am Morgen (1. Juni 2016) bei einer Pressekonferenz im Tivoli entschieden dem Eindruck entgegengetreten, das   sieben Jahre alte Stadion an der Krefelder Straße sei mit einer mangelhaften Sicherheitstechnik ausgestattet. „Das ist definitiv nicht der Fall“, erklärte der Oberbürgermeister. „Richtig ist vielmehr, dass der Tivoli in dieser Hinsicht in einem guten Zustand ist. Richtig ist aber auch, dass es darum geht, eklatante Versäumnisse der zurückliegenden Jahre, die vor allem in unterlassenen Wartungsarbeiten technischer Anlagen liegen, aufzuarbeiten.“ Deil jetzt Prokurist der Aachener Stadion Beteiligungs GmbH Philipp ging es darum, die Aufregung der letzten Wochen, die durch ein routinemäßig erstelltes Gutachten zur Sicherheitstechnik entstanden war, zu versachlichen. Dieses Gutachten ist mit einer größeren Mängelliste versehen. Die Versachlichung der Lage liege auch im Interesse der Aachener Stadion Beteiligungs GmbH (ASB), die als städtische Tochter das Stadion seit dem Insolvenzverfahren von Alemannia Aachen im Januar 2015 betreibt, betonte ASB-Aufsichtsratsvorsitzender Heiner Höfken am Morgen.

Wesentlicher Baustein in dieser Hinsicht: Gestern wurde Bernd Deil, Abteilungsleiter Technische Gebäudeausrüstung im städtischen Gebäudemanagement, der schon in den zurückliegenden vier Wochen mit einer Abordnung von Experten aus dem Gebäudemanagement die Bestandsaufnahme der technischen Anlagen im Stadion vorantrieb und somit die ASB unterstützte, zum Prokuristen der Gesellschaft ernannt. „Das hilft uns, die nun begonnenen  Arbeiten mit dem nötigen Fachwissen und der erforderlichen Gründlichkeit fortzusetzen. Wir sind auf einem guten Weg“, sagte Höfken.

Gespräche mit Gutachter zeigen Lösungswege auf
„Es braucht in der Tat Zeit“, so der Oberbürgermeister, „um in der gebotenen Sorgfalt die komplexe Lage rund um das Thema Sicherheitstechnik des Tivolis zu ergründen. Wir können heute einen ersten belastbaren Zwischenstand melden. Wir sind aber noch nicht fertig.“ Zwischenfazit des Oberbürgermeisters: „Dramatisch ist hier gar nichts, aber es gibt dennoch viel Arbeit.“ Erste Erkenntnisse: Die Mängelliste wird Schritt für Schritt durchgearbeitet, Deil steht im Kontakt mit dem Gutachter der Firma BFT Cognos und kann erste gute Arbeitsergebnisse erläutern. Demnach lasse sich die 365 Punkte umfassende Mängelliste dritteln, wie Deil ausführte. „Die Prüfung erfolgte nach Stand und Regeln der Technik, wurde allerdings deutlich erschwert, weil eine Vollständigkeit der genehmigten Bebauungspläne und des Lüftungsgesuches in der Immobilie Tivoli nicht  vorhanden war“, so Deil. „Wir konnten jedoch inzwischen anhand der aufgefundenen genehmigten Bebauungspläne gemeinsam mit dem sachverständigen Prüfer die Mängelliste abgleichen.“ Demnach ist von den 365 Mängelpunkten im Gutachten etwa ein Drittel durch technische Kompensationsmaßnahmen in der Ausführung baurechtlich genehmigt.   Ein weiteres Drittel an Mängelpunkten – hierbei handelt es sich vor allem um die Brandschutzklappen im Tivoli – sehen die städtischen Experten ebenfalls als unproblematisch an. Die systemgleiche Ausführungsvariante, die am Tivoli gewählt wurde, wurde im Gutachten beanstandet, entspricht also nicht den Einbauvorschriften, stellt aber, so Deil, „aus unserer Sicht keine Unwirksamkeit bzw. keinen Sicherheitsmangel dar“.

Versäumnisse in der Wartung
Deil weiter: „Die verbleibenden Mängel sind tatsächlich zurückzuführen auf Versäumnisse in der Wartung. Defekte entstanden durch mangelhafte Instandhaltungen in der Vergangenheit, was im Einzelfall eine Einschränkung im Betriebsablauf darstellt.“ Wert legen die städtischen Fachleute jedoch auf den Hinweis, dass durch diese Mängel nicht grundsätzlich die Sicherheit des gesamten Stadions in Frage gestellt werden kann. „Viele dieser Mängel können in einem kurzen überschaubaren Zeitraum beseitigt werden, was uns zuversichtlich macht, in den nächsten drei Monaten eine technisch mängelfreie Betriebsstätte wieder zur Verfügung zu stellen“, sagte Klaus Schavan, Technischer Betriebsleiter des Gebäudemanagements. Und Schavan wurde deutlich: „Tatsächlich können wir nach der kurzen Zeit unserer systematischen Untersuchungen sagen, dass über die Jahre im operativen Alltagsgeschäft des Stadionbetriebs erheblich geschlampt wurde, was zu Schäden geführt hat. Damit haben die seinerzeit Verantwortlichen eine Betriebsstörung provoziert.“

Beispiel für verschlampte Instandhaltungsarbeiten an Anlagen
Deil und Schavan zeigten bei einem Presserundgang als ein Beispiel die Sprinkleranlage des Stadions, bei der aufgrund fehlender Wartung Mängel zu befürchten seien - jedoch komplett ausgetestet sei diese Anlage noch nicht. Vom tadellosen Eindruck, den der Großteil der komplexen technischen Anlagen macht, konnten sich die Journalisten überzeugen. Hier und da tauchen einige verrostete Stellen auf, die Experten erklärten, wie sie mit überschaubarem Aufwand zu reparieren sind. Am Ende der Überprüfungen wird es ohnedies zu einem finalen Abgleich mit dem Gutachter kommen. Dass bis dahin noch einige Zeit vergehen wird, erläuterten Deil und Schavan aber auch mit einem Blick auf zig Meter Akten zur Stadiontechnik in großen Stahlschränken, die für die aufwändigen Recherchen durchgearbeitet werden müssen. „Hinzu kommt, dass uns – aus welchen Umständen auch immer – ungezählte Akten fehlen, die aber zum Teil wichtige Hinweise auf die Nutzungsgenehmigungen der Anlagen und auch Sonderregelungen für den Betrieb enthalten“, sagte Schavan. Das erschwere die Arbeiten zusätzlich.
Komplexe Recherche unerlässlich

„Wir werden die vorhandenen Mängel in einem vertretbaren Finanzrahmen beheben können, das Stadion wird bespielbar und vermietbar bleiben“, sagte Marcel Philipp. Deil und Schavan hatten bereits in der zurückliegenden Ratssitzung darauf verwiesen, dass rund 200.000 Euro an Anschubfinanzierung erforderlich sind, um alle Mängel zu identifizieren und erste Defizite zu beseitigen. Dieses Geld wird aus dem Budget der ASB genommen. Die umfassende Bestandsaufnahme diene dazu, anschließend ein Sanierungskonzept zu erstellen.

Sicherung der Alemannia-Saison als Nahziel
Die Arbeiten an sich, so sieht es der Oberbürgermeister, müssten dann über das Budget, das der ASB zur Verfügung steht, abzubilden sein. Erstes Ziel bleibe die Sicherung der nächsten Alemannia-Saison und auf Sicht der tadellose Zustand aller sicherheitstechnischen Anlagen. Schavan: „Die Instandhaltungsarbeiten werden völlig neu organisiert, koordiniert und schnellstmöglich beauftragt.“ Wichtig für Philipp: „Es gibt keinerlei Probleme für unsere Mieter, etwa die Westspiel oder für die Nutzung des VIP-Bereichs bei Veranstaltungen. Alle für externe Mieter gebauten oder umgebauten Bereiche des Stadions haben eine gültige Genehmigung und sind abgenommen. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, um dort über Gefahren zu sprechen.“ Der städtische Beigeordnete Prof. Dr. Manfred Sicking betonte: Fakt sei nach der ersten Analyse des Gutachtens gewesen, dass die aktuelle Lage die ASB in ihrer bisherigen Konstellation überfordert habe. „Deswegen hat die Stadt zunächst einen Arbeitskreis mit Experten aus verschiedenen Fachbereichen gegründet, der die ASB in der Untersuchung unterstützt. Federführend ist in diese Arbeit das städtische Gebäudemanagement eingestiegen.“ Aufsichtsratschef Höfken betonte, dass die personelle Ausstattung der ASB – vor allem mit entsprechendem technischen Sachverstand  - nun schnell gewährleistet werden müsse.

Die baulichen Mängel werden bereits juristisch erörtert
Wert legte Oberbürgermeister Marcel Philipp darauf, dass es aktuell um die tatsächlichen oder vermeintlichen Mängel  in der Sicherheitstechnik des Stadions gehe. „Ich bitte, dies sauber zu unterscheiden von den baulichen Mängeln, die die ASB bei Übernahme des Stadions 2015 aufgelistet hat. Wegen dieser Liste läuft das juristische Verfahren mit dem damaligen Generalunternehmer Hellmich, und deshalb werden wir uns dazu nicht äußern.“  Feststehe jedoch, dass das Stadion auch statisch in einem einwandfreien Zustand sei.

Info zum Sicherheitsgutachten: Bei dem Sicherheitsgutachten für das Stadion werden nach den Vorgaben der technischen Prüfverordnung routinemäßig und in geregelter zeitlicher Abfolge unter anderem folgende Bereiche geprüft.

-    alle raumlufttechnischen Anlagen
-    Sprinkleranlage
-    Brandmeldeanlage
-    Sicherheitsbeleuchtung
-    Sicherheitsstromversorgung (Netzersatzanlage)
-    Elektrische Anlagen
-    Alarmierungsanlage

In den meisten Punkten stellte der Gutachter aktuell Mängel fest, zum Teil auch in Bereichen, die die Vorgutachten des TÜV aus 2009 und 2012 ohne Beanstandung akzeptiert haben. Die ASB ist in der Pflicht, alle beanstandeten Punkte zu sichten, zu bewerten und sie - sofern sie tatsächlich bestehen - zu beheben.
 
Info zu bereits abgearbeiteten Mängeln (einige Beispiele):
„Wir gehen von Punkt zu Punkt, beschaffen uns die nötigen Informationen, überprüfen die Anlagen und stellen nach vier Wochen fest, dass wir zahlreiche Themen von der Liste nehmen können“, sagte ASB-Prokurist Deil.  
Das Notstromaggregat hat wieder die passende Betriebserlaubnis und kann anstandslos die Arbeit wieder aufnehmen.
Die Video- und Überwachungsanlage muss nicht erneuert werden, kostengünstige Updates machen dies möglich. Statt ursprünglich veranschlagter 130.000 Euro für eine neue Anlage schlagen nun nur 25.000 Euro zu Buche.
Die Dachkonstruktion hat zwar eindeutige bauliche Mängel (deshalb werden die Zuschauer an einigen Stellen nass), aber es gibt kein Sicherheitsproblem! Eine Begehung mit einem unabhängigen Gutachter habe ergeben, so die städtischen Experten, dass die in Diskussion stehenden Stegplatten am Außenkranz des Daches gegen Sogkräfte in ihrer  Horizontallage grundsätzlich konstruktiv ausreichend gesichert sind. Das Material der Stegplatten werde allerdings über die Jahre durch die Bewegung und die UV-Einstrahlung spröde. Dann seien Risse möglich, durch die Wasser eindringen kann. Faktisch heißt das, dass alle 15 bis 20 Jahre ein Austausch erfolgen muss, regelmäßig sind zur Prüfung und In-Augenscheinnahme Begehungen erforderlich (z.B halbjährig, noch zu bestimmen).
Notbeleuchtung: Die batteriegepufferte Anlage ist nach einer ersten Prüfung weitgehend in Ordnung. Es wird noch eine Prüfung bei Nacht folgen.
Brandschutzklappen:  Hier moniert der Gutachter 100 Klappen. Deil: „Unsere ersten Überprüfungen haben allesamt ergeben, dass die Klappen mit Blick auf die uns vorliegende Baugenehmigung weitgehend kein Sicherheitsproblem darstellen. Wir werden aber alle Klappen selbstverständlich kontrollieren.“
Brandmeldeanlage: Fehlende und defekte Handfeuermelder, sowie Rauchmelder wurden bereits nachinstalliert oder ausgetauscht.
Alarmierungsanlage: Die Beanstandungen und Mängel wurden behoben, die Dokumentation wird überarbeitet. Die Brandmelde- und Alarmierungsanlage wurde seit 2009 durchgängig viermal jährlich gewartet. Dies entspricht den Vorgaben der DIN. Diese Anlagen waren immer betriebssicher und wirksam. Eine Beeinträchtigung der Sicherheit hat es in diesen Teilen zu keinem Zeitpunkt gegeben.