Alles rund um Aachen

Das Theater Aachen hat die Spielzeit 2015/16 mit „Tosca“ von Giacomo Puccini eröffnet. Regisseur Ludger Engels nimmt in seiner Inszenierung den sexuellen Trieb, der in der Geschichte gezeichnet wird, unter die Lupe. Ebenso setzt er einen Schwerpunkt zum Thema Sex und Kirche bzw. Moral und Glauben in seiner Regiearbeit. In Rom geht es drunter und drüber. Wieder einmal haben sich die Machtverhältnisse geändert, Angelotti (Jorge Escobar), der ehemalige Konsul der Republik, war nach Rückkehr der österreichischen Herrschaft in der Engelsburg inhaftiert, konnte aber fliehen und versucht jetzt, unterzutauchen. In der Kapelle Sant´Andrea della Valle hat seine Schwester Frauenkleider versteckt - sie sollen ihm bei seinen Plänen helfen. In Häftlingskleidung und seelisch am Ende betritt er die Kirche. Er findet den Schlüssel zur Sakristei und verschwindet darin - gerade rechtzeitig, um nicht von dem Mesner (Pavel Lawreszuk) bemerkt zu werden, der seinen Geschäften nachgeht. Dazu gehört auch die Versorgung des Malers Cavaradossi (Chris Lysack), der mit einem Altarbild beauftragt wurde, mit Essen und sauberen Pinseln.

Der biedere Kirchendiener ist dem jungen Künstler mit seinen fortschrittlichen Ansichten nicht besonders grün, wie einem kurzen Gespräch der beiden zu entnehmen ist. Cavaradossi arbeitet an einen Altarbild der heiligen Maria Magdalena. Der Mesner geht, und Angelotti, der die Kirche leer glaubt, wagt sich in den  Kirchenraum. Zuerst zu Tode erschrocken erkennt er dann in Cavaradossi einen alten Freund. Der Maler ist sofort bereit, ihm zu helfen. Im Moment allerdings ist das nicht möglich, weil Tosca (Irina Popova), eine prominente Sängerin, ihren Geliebten Cavaradossi besucht, um mit ihm für den Abend eine Verabredung auszumachen. Nach einigen Eifersüchteleien über eventuelle Seitensprünge ihres Freundes lässt sie sich doch von der Treue des Malers überzeugen und geht. Cavaradossi bespricht den Fluchtplan mit Angelotti und gibt ihm die Schlüssel zu seiner Wohnung. Ein Kanonenschuss verrät den beiden, dass die Flucht Angelottis aufgeflogen ist, was eine rücksichtslose Fahndung auslöst. Beide verschwinden, der Mesner verkündet die Nachricht über einem erneuten Sieg Napoleon. Ihm folgen Geistliche, Kirchenchor und Messdiener, um sich für das geplante Fest Tedeum fertigzumachen. Außerdem erscheint der Polizeichef Scarpia (Christian Tschelebiew) mit einen Suchkomando. Eine Spur führt zu den entflohenen Agelotti, ein Fächer wird gefunden der seiner Schwester gehört. Scarpia verhört den Mesner, der ihm den Namen Cavaradossis nennt. Als nun auch Tosca die Kirche betritt, um ihr Treffen mit ihrem Freund abzusagen, weil sie vor der Königin singen muss, versteht es Scarpia, der die Beziehung kennt, sie mit Hilfe des gefundenen Fächers eifersüchtig zu machen. Sie reagiert wie erwartet und will Cavaradossi zur Rede zu stellen. Daraufhin nehmen die Schergen Scarpias Cavaradossi fest. Scarpia feiert seinen Erfolg, in seiner diabolischen Vorstellung, während des Tedeums, sieht er Angelotti und Cavaradossi schon am Galgen, Tosca hingegen in sein Bett.

 

 

Zunächst scheint alles nach Scarpias Plänen zu gehen. Er sitzt beim Abendessen und erwartet positiven Bericht über die Nachforschungen. Tosca lässt er ausrichten, dass er sie nach der Messe, in der sie singt, erwartet – wohl wissend, dass die Liebe zu Cavaradossi sie in seine Arme treiben wird. Als der Polizeiagent Spioletta auftritt und gesteht, Angelotti nicht gefunden zu haben, bekommt Scarpia einen Tobsuchtsanfall. Er beruhigt sich rasch, als er hört, das Cavaradossi immerhin festgenommen wurde. Scarpia lässt ihn vorführen, und während die Klänge der Messe im Raum zu hören sind, bei der Tosca als Solistin mitwirkt, drängt er Angelotti zu verraten. Er gibt sich ahnungslos und schweigt, daraufhin übergibt ihn Scarpia der Folter. In diesem Augenblick erscheint Tosca. Auch sie schweigt. Erst als Tosca die Schreie von Cavaradossi hört, hält sie nicht mehr aus und gibt Angelottis Versteck preis. Der gefolterte Cavaradossi wird daraufhin hineingetragen, trotz aller Schmerzen stösst er Tosca von sich, als er merkt , daß sie die Wahrheit gesagt hat. Als die Nachricht über Napoleons Sieg über die Österreicher bekannt wird bricht Cavaradossi im Jubelgesang aus. Scarpia verurteilt ihm sofort zum Tod. Es sei denn, Tosca wäre bereit, sich Scarpia hinzugeben um dafür Cavaradossis Leben und Freiheit einzutauschen. Der skrupelose Polizeichef erpresst sie, reagiert auf ihre Weigerung nur mit Hohn und treibt sie in ihrer Angst doch zum Äußersten. Sie will ihm eine Nacht gehören, wenn er Cavaradossi das Leben schenkt. Er verspricht es und stellt für die Flucht einen Passierschein aus. Während er schreibt, nimmt Tosca heimlich ein Messer vom Tisch, und als Scarpia sie nun endlich berühren will, stößt sie ihm das Messer mitten ins Herz. Triumphierend sieht sie ihn sterben. Sie nimmt den Passierschein an sich und verlässt das Zimmer.

 

Es ist Nacht, Rom schläft. Aber in der Engelsburg tut sich einiges. Hier ist Cavaradossi in Haft und erwartet noch in dieser Nacht seine Hinrichtung. Er wird einen Protokollbeamten vorgeführt, den er bittet, einen letzten Brief an Tosca zu schreiben. Nachdem er dabei seinen Erinnerungen nachhängt, erscheint Tosca und zeigt ihm den von Scarpia ausgestellten Passierschein, der beide in die Freiheit führen soll. Sie erzählt Cavaradossi, das sie Scarpia ermordet hat und dass seine, Cavaradossis, Erschießung zum Schein notwendig wäre, er müsse sich nur tot stellen. Beide schmieden freudig Pläne für ihre Zukunft. Daraufhin wird Cavaradossi zur Exekution geführt, Schüsse sind zu hören, der Maler fällt um. Tosca erkennt mit Entsetzen das ihr Freund tot ist und selbst der tote Scarpia noch Macht über ihr Schicksal hatte. Die Scheinexekution war eine Finte. Darauf nimmt sich Tosca selber das Leben und springt von der Engelsburg.

Die Protagonisten der Inszenierung erzählen die Geschichte in geradezu atemloser Dramatik, so dass es geradezu legitim erscheint von einem musikalischen Kriminalroman zu sprechen. Die Charaktere sind drastisch gezeichnet: Der aggressiv, aufklärerische Cavaradossi (Chris Lysack) steht der temperamentvollen, bigotten Diva Tosca (Irina Popova) gegenüber; beide werden beherrscht durch den brutalen Scarpia (Christian Tschelebiew) als Vertreter der staatlichen Macht. Bei aller Betonung auf die Charactere kommt das melodische Element nicht zu kurz, wobei die ariosen Teile nahtlos mit dem durchkomponierten dramatischen Satz verbunden sind.

Das gesamte Ensemble zeigte sich hervorragend samt Chor und Kinderchor. Allen voran Irina Popova in der Rolle der Titelfigur und ihrem Partner Chris Lysack als Cavaradossi. Irina Popova glänzte mal wieder mit ihren wundervollen Pianissimo ihrer Stimme. Bei der Arie (vissi d´arte) blieb dem Publikum fast das Herz stehen. So wundervoll interpretiert habe ich selten diese Arie gehört. Christian Tschelebiew wirkte ein wenig blass als Baron Scarpia. Das Sinfonieorchester Aachen unter Kazem Abdullah übertönte in einigen Passagen die Sänger. Ansonsten betörte das Orchester mit der explosiven und spannungsgeladenen Musik von Giacomo Puccini.

Aufführungstermine und Tickets unter www.theateraachen.de

Artikel Hardy Kleidt

Fotos Copyright: Wil van Iersel/ Theater Aachen