Die RWTH bietet wieder vier MOOCs auf der Online-Lernplattform „edX“ an. Die RWTH Aachen startet am 13. Januar ihre neuen MOOCs auf der Online-Lernplattform „edX“. Mit MOOC, Kurzform für Massive Open Online Course, bezeichnet man Online-Veranstaltungen mit einer großen Teilnehmerzahl, die keiner Zugangsbeschränkung unterliegen.
Bei MOOCs werden Online-Lerninhalte, wie zum Beispiel Videosequenzen, Serious Games, eTests oder Skripte, kombiniert mit Möglichkeiten zum Austausch und zur Diskussion in Form von Foren, Chats oder Sozialen Netzwerken angeboten. Seit 2016 ist die RWTH Mitglied bei „edX“, einer Organisation die weltweit Onlineangebote macht. Seitens RWTH werden, koordiniert vom Center für Lehr- und Lernservices der RWTH, nun vier neue Kurse offeriert. Professorin Christa Reicher, Lehrstuhl für Städtebau und Entwerfen und Institut für Städtebau und europäische Urbanistik, bietet im Rahmen der IDEA-League, einem Zusammenschluss großer europäischer Technischer Universitäten, einen Kurs zu „Sustainable Transformation of Cities and Regions“ an, Professor Bastian Leibe vom Lehrstuhl für Computer Vision zu „Deep Learning“, Professor Ulrik Schröder vom Lehr- und Forschungsgebiet Informatik 9 – Learning Technologies zu „Scientific Programming for AI with Python“ und Professor Wil van der Aalst, Lehrstuhl für Process and Data Science, zu „Object-Centric Process Mining“.
Foto: Peter Winandy
Van der Aalst ist seit vielen Jahren mit MOOCs präsent, er ist von dem Konzept solcher offenen Angebote überzeugt. Warum, erläutert er im Interview.
Warum bieten Sie wieder einen MOOC an und wen erreichen Sie mit diesem Angebot?
Wil van der Aalst: Ich habe meinen ersten MOOC im Jahr 2014 erstellt, und es war eine angenehme Erfahrung, da ich plötzlich Menschen erreichen konnte, die nicht in meinem Klassenraum waren. Dies war der Coursera-MOOC „Process Mining: Data Science in Action“, den ich entwickelte, als ich noch an der Technischen Universität Eindhoven tätig war. Der Coursera-MOOC basiert auf meinem Springer-Buch mit dem gleichen Titel. Über 174.000 Menschen haben an diesem Kurs teilgenommen, und er stellte einen bedeutenden Meilenstein im Bereich des Process Minings dar. Die meisten Inhalte sind immer noch gültig und relevant. Die Software-Tools haben sich stark verändert, und es wurden fortschrittlichere Algorithmen entwickelt. Dennoch gelten die grundlegenden Prinzipien weiterhin. Seit ich 2018 an die RWTH Aachen gewechselt bin, haben wir drei neue MOOCs erstellt, die auf der edX-Plattform laufen. Seit COVID erwarten die Studierenden, dass Lerninhalte jederzeit remote zugänglich sind. Auch Praktikerinnen und Praktiker, die niemals einen physischen Klassenraum betreten würden, können nun auf das Material zugreifen. In den vergangenen zehn Jahren habe ich viele Menschen getroffen, die mir erzählt haben, dass der MOOC ihre Karrierewege verändert hat. Die meisten von ihnen haben weder in Eindhoven noch in Aachen studiert, arbeiten aber heute im Bereich des Process Minings. Das ist sehr inspirierend und erfüllend.
Das Thema ist „Object-Centric Process-Mining”: Was werden Sie im Rahmen des MOOCs erläutern?
Wil van der Aalst: Der neue MOOC „Object-Centric Process-Mining“ basiert auf der aktuellen Revolution im Process Mining. Im klassischen Process Mining konzentrieren wir uns in der Regel auf einen einzelnen Prozess und verfolgen die Fälle, die durch diesen Prozess fließen. Beim Object-Centric Process-Mining (OCPM) hingegen sind wir nicht mehr auf einen einzigen Prozess beschränkt und können beliebig viele Objekte verfolgen. Betrachten Sie zum Beispiel einen Kunden, der zwei Bestellungen aufgibt, von denen jede aus drei Artikeln besteht. Einige dieser Artikel sind auf Lager und können sofort versendet werden. Andere müssen noch produziert werden oder sind nicht auf Lager. Daher kann es zu drei Lieferungen kommen, die Artikel aus verschiedenen Bestellungen enthalten. Selbst solch einfache Prozesse sind hochgradig parallel und beinhalten interagierende Objekte. Es ist auch nicht immer eindeutig, wo die Prozesse beginnen und enden. Wenn man ein neues Auto bestellt, muss dieses möglicherweise erst noch montiert werden. Viele der Komponenten existieren jedoch bereits vor der Bestellung. Verzögert sich die Bestellung, kann das Problem im Vertrieb, in der Beschaffung, in der Produktion oder in der Logistik liegen. Mit OCPM können solche Prozesse automatisch entdeckt und Probleme diagnostiziert werden. Dies wird dann genutzt, um Verbesserungen zu erzielen.
Warum lohnt es sich, diesen MOOC zu belegen, welchen Vorteil hat es?
Wil van der Aalst: Maschinelles Lernen (ML) und Künstliche Intelligenz (KI) sind hochaktuelle Themen, und es besteht großes Interesse daran, diese Techniken im industriellen Umfeld anzuwenden. Allerdings kämpfen Unternehmen oft damit, den Einstieg zu finden, da eine Kluft zwischen Vision und Realität besteht. Process Mining bietet eine Perspektive, Prozesse und zugehörige Daten zu analysieren und in ML-Probleme umzuwandeln, die mit gängigen Tools bearbeitet werden können. Für Studierende ist es interessant, an Themen zu arbeiten, bei denen sie noch einen Unterschied machen können. Man lernt wenig, wenn man einfach GenAI anwendet oder eine Python-Bibliothek nutzt, die von anderen programmiert wurde und zu komplex ist, um sie zu verstehen. Beim Process Mining ist der Zusammenhang zwischen Daten und Ergebnissen (zum Beispiel Prozessmodellen) wesentlich direkter. Organisationen werden weiterhin Daten, Prozesse und operative Probleme haben. Daher gibt es einen Bedarf an Personen, die diese drei Elemente miteinander verbinden können. Für Studierende, die in der Wissenschaft weitermachen möchten, ist es ebenfalls spannend, an relevanten und herausfordernden Problemen zu arbeiten, die originelle Lösungen ermöglichen und bei denen ein Einzelner einen spürbaren Beitrag leisten kann.
Wie finden Sie solche Online-Courses selbst, was macht Ihnen Spaß daran?
Wil van der Aalst: Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich selbst gerne viele MOOCs belegen. Leider ist meine Zeit sehr begrenzt. Ich habe auch festgestellt, dass es große Qualitätsunterschiede zwischen den verschiedenen MOOCs gibt. Meiner Meinung nach ist es wichtig, MOOCs zu haben, die die Theorie in einfachen Begriffen erklären und auch Datensätze sowie Tool-Unterstützung bereitstellen, um die Theorie anzuwenden und ein tieferes Verständnis zu erlangen. Unser neuester MOOC „Object-Centric Process-Mining“ bietet genau diese Kombination.