FH Aachen

Die Idee der Kernfusion begeistert Physiker:innen und Energiefachleute seit Jahrzehnten. Im Kern geht es darum, die physikalisch-chemischen Prozesse, die in der Sonne stattfinden, in vergleichbarer Form auf der Erde zu nutzen, zum Beispiel zur Energieerzeugung in Kraftwerken.

Ein großmaßstäblicher Einsatz etwa in Kernfusionsreaktoren ist noch Zukunftsmusik, aber dank wissenschaftlicher Forschungs- und Entwicklungsarbeit wächst das Verständnis dieser Vorgänge, und mit jedem Erkenntnisgewinn rückt der Sprung in die Umsetzung näher.

Das Institut für Mikrowellen- und Plasmatechnik (IMP) der FH Aachen hat jetzt einen weiteren Schritt in diese Richtung geschafft. „Mit unserem freistehenden Plasma können wir die Wunschform für Fusionsprozesse im kleinen Labormaßstab erzeugen“, sagt Prof. Dr. Holger Heuermann, Leiter des IMP. Seit Jahren forscht er im Bereich der Plasmaerzeugung, die Neuentwicklung markiert für ihn einen Durchbruch.

Im Inneren der Sonne brennt ein Fusionsfeuer. Wasserstoff-Atomkerne „verschmelzen“ zu Helium, wobei etwas Materie in Energie umgewandelt wird. Die freiwerdende Energie ist so stark, dass sie mehr als ausreicht, um die Erde mit Wärme und Licht zu versorgen – und das trotz 150 Millionen Kilometer Entfernung. Auch das Plasma, das Prof. Heuermann und sein Doktorand Samar Turdumamat im Labor erzeugen, ist heiß und hell. Es ist kugelförmig und hat einen Durchmesser von rund einem Millimeter. Trotz der überschaubaren Größe des Plasmas muss man eine Schutzbrille anziehen, wenn man durch das kleine Guckloch ins Innere der Versuchsanordnung schaut. „Wir wissen noch nicht genau, wie heiß das Plasma ist“, erläutern die Forscher; dies zu ermitteln sei eine der nächsten Aufgaben. Der Versuchsaufbau selbst ist auf den ersten Blick unscheinbar: Das Plasma wird in einem Aluminiumzylinder erzeugt, der eine Länge von etwa 15 Zentimetern hat.

Mit dem Begriff Plasma bezeichnet man in der Physik ein Gas, das teilweise oder vollständig aus freien Ladungsträgern, also Ionen oder Elektronen, besteht. 99 Prozent der sichtbaren Materie im Universum besteht aus Plasma. Mit steigender Temperatur gehen alle Stoffe nacheinander vom festen in den flüssigen und dann in den gasförmigen Zustand über. Wird die Temperatur noch weiter erhöht, entsteht ein Plasma. Die Atome des Gases trennen sich in ihre Bestandteile – Elektronen und Kerne – auf. Beispiele aus dem Alltag sind die Plasmasäule in einer Neonröhre, ein elektrischer Funke oder der Plasmafaden eines Blitzes. Ein Plasma hat andere Eigenschaften als ein normales Gas. Zum Beispiel ist ein Plasma elektrisch leitend. Seine Bewegung lässt sich daher durch elektrische und magnetische Felder beeinflussen.

Kernelement der IMP-Entwicklung ist die Erzeugung einer extrem hohen Energiedichte. Verantwortlich dafür ist ein Magnetfeld, dessen Auslegung auf intensiver Simulationsarbeit beruht. Die Anlage selbst ist sehr einfach und kostengünstig: An beiden Enden des Aluminiumrohrs befindet sich eine Antenne, die das Magnetfeld erzeugt. Der teuerste Bestandteil ist der Hochfrequenzverstärker, der die Antennen mit einem Signal im 10-Gigahertz-Bereich speist, er hat 90.000 Euro gekostet. „Mit diesem Verstärker können wir Signale im Bereich zwischen 6 und 18 Gigahertz erzeugen und so erforschen, welche Frequenz für die Plasmaerzeugung am besten geeignet ist“, sagt Prof. Heuermann. Das plasmaphysikalische Umfeld sei komplex, entsprechend groß seien die Potenziale, die sich durch die Forschung erschließen ließen. Bislang arbeiten die FH-Wissenschaftler mit gewöhnlicher Luft als Prozessgas bei Normaldruck. Der in der Fusionstechnik übliche Einsatz der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium ist für weiterführende Arbeiten in Zusammenarbeit mit erfahrenen Forschenden denkbar.

„Bei konventionellen Versuchsreaktoren kommen extrem starke Magnete zum Einsatz“, erklärt Prof. Heuermann, diese müssten mit Supraleitern versehen und mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden. Zum Vergleich: Der Ring des internationalen Forschungsreaktors ITER hat einen äußeren Durchmesser von 16 Metern und ein Volumen von 837 m³. „Wir bringen das Plasma auf den Punkt“, sagt Prof. Heuermann. Die prinzipielle Auslegung eines Fusionsreaktors, der nur 200 kW als eingekoppelte Energie benötigt, hat er in seinem Buch „Mikrowellentechnik“ veröffentlicht.

Die Forschung an Plasmen treibt den FH-Wissenschaftler seit zwei Jahrzehnten um. Er hat zahlreiche Bücher geschrieben und Vorträge gehalten, aus der Arbeit sind zahlreiche Patente hervorgegangen. Bislang stand die Plasmaerzeugung im Bereich den 2,45 Gigahertz im Vordergrund, mit dem Sprung in andere Frequenzbereiche eröffnen sich nun auch neue Anwendungsfelder. Tatkräftige Unterstützung erhält er von seinem Doktoranden Samar Turdumamat. Der Kirgise ist über ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) nach Aachen gekommen, seine Dissertation macht er am Promotionskolleg (PK) NRW. Wichtige Vorarbeit leistete auch Hinner Ziegler, der im Rahmen seiner Bachelorarbeit einen Plasmajet im 10-GHz-Bereich entwickelte. Für die nächsten Schritte sucht das IMP-Team Kooperationspartner aus Wirtschaft und Forschung. So gehe es etwa darum, das Plasma genau zu vermessen und die Technologie in größerem Maßstab umzusetzen.