RWTH

Internationale Studien mit RWTH-Beteiligung zeigen am Beispiel von Mäusen, dass bestimmte Hirnareale mit Lichtimpulsen aktivierbar sind. Vor etwa 130 Jahren beschrieb der spanische Anatom Carlos Calleja y Borja-Tarrius Inseln von Nervenzellen tief im Gehirn. Lange blieb ungeklärt, welche Rolle diese spielen. Nun gelang es einem internationalen Team von Forschenden der RWTH Aachen, der University of Florida und der University of Pennsylvania, erstmals die Funktion dieser besonderen Gehirnstruktur zu entschlüsseln. Die so genannten Calleja Inseln fungieren danach als Kommandozentrum der Körperpflege.

Im Labor wurde zunächst die genaue Lage und Anatomie der Calleja Inseln in Mäusen untersucht. Im Experiment ändern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die optischen Eigenschaften des Hirngewebes und machen dies damit transparent. So gelingt mit einem Spezialmikroskop der Blick tief in das nunmehr durchsichtige Gehirn, in dem nur noch die Nervenzellen dieser Inseln rot fluoreszieren. Die Forschungen erbrachten eine erstaunliche Entdeckung: Die vermeintlichen Inseln sind tatsächlich eine große zusammenhängende Struktur aus Nervenzellen, die eher einem Hirschgeweih oder Wurzelwerk ähnelt. Mit modernen genetischen Methoden wird nun ein lichtempfindliches Protein in die Nervenzellen eingeschleust, so dass die Aktivität der Zellen fortan mit Laserlichtimpulsen gesteuert werden kann.

Im Verhaltensexperiment zeigt sich, dass die Maus mit der Körperpflege beginnt, sobald die Nervenzellen aktiviert sind. Mit einem anderen lichtgesteuerten Protein, das die Nervenzellen kurzzeitig lahmlegt, kann wiederum das natürliche Putzverhalten der Tiere experimentell gestoppt werden. „Wir benutzen dafür moderne Techniken des Tissue Clearings und der Optogenetik“, erläutert Professor Dr. Marc Spehr, der die Studien an der RWTH leitet. Somit sei belegt, dass die Calleja Inseln eine Schaltzentrale zur Steuerung der Körperpflege seien. „Wir gehen davon aus, dass wir darüber hinaus mit unserem Befund einen wesentlichen Beitrag für das mechanistische Verständnis psychiatrischer Erkrankungen leisten können“, so Spehr weiter. Zum Gelingen dieser Forschungsarbeit haben unter anderem die Graduiertenkollegs RTG 2416 und IRTG 2150 sowie die Förderung durch den Exploratory Research Space an der RWTH beigetragen. „Wesentlich für die Ergebnisse war auch die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Bildverarbeitung“, betont RWTH-Biologe und Lichtenbergprofessor Spehr.

Die Forschungsergebnisse wurden jüngst unter dem Titel „Ventral striatal islands of Calleja neurons control grooming in mice“ im Journal „Nature Neuroscience“ veröffentlicht. Die Veröffentlichung ist unter https://www.nature.com/articles/s41593-021-00952-z abrufbar.