Alles rund um Aachen

„In Bezug auf die Bautätigkeit war das vergangene Jahr ein gutes Jahr für den Aachener Wohnungsmarkt", sagte Professor Dr. Manfred Sicking, städtischer Beigeordneter für Wirtschaftsförderung, Soziales und Wohnen, jetzt in einem Pressegespräch zur Vorstellung des neuen Wohnungsmarktberichts, der später am Tag druckfrisch auch den Mitgliedern des Wohnungs- und Liegenschaftsausschusses präsentiert wurde.

Planungsgrundlage für verschiedene Wohnungsmarktakteure

Regelmäßig analysiert der Wohnungsmarktbericht des Fachbereichs Wohnen, Soziales und Integration der Stadt Aachen auf breiter Datenbasis aktuelle Trends und langfristige Entwicklungen auf dem Aachener Wohnungsmarkt. Seine Erkenntnisse eignen sich als verlässliche Planungsgrundlage und dienen der Stadt zugleich als Basis zur Entwicklung integrierter Strategien und zur zielgerichteten Ausrichtung wohnungspolitischer Handlungsinstrumente.

Zurzeit boomt der Hochschul- und Forschungsstandort Aachen und hat eine Magnetwirkung auf Studierende aus dem In- und Ausland. „Die Zahlen sind eine beachtliche Herausforderung für die Wohnraumversorgung im Stadtgebiet: seit 2010 gibt es fast 20.000 Studierende mehr an den Aachener Hochschulen. In den letzten zehn Jahren ist die Aachener Bevölkerung um 14.000 Einwohner und Einwohnerinnen gewachsen, allein im vergangenen Jahr kamen 1.784 Personen dazu", betonte Rolf Frankenberger, Leiter des städtischen Fachbereichs Wohnen, Soziales und Integration.

Erfolg einer stringenten und konsequenten Wohnungspolitik

2019 wurde in der Stadt Wohnraum für mehr als 1.000 Haushalte neu geschaffen. Manfred Sicking: „Damit zählen wir erstmals in der Geschichte der Stadt Aachen mehr als 140.000 Wohneinheiten im Stadtgebiet. Das ist eine beeindruckende Zahl, auf die alle Aachener Wohnungsmarktakteure im engen Schulterschluss hingewirkt haben und die als Erfolg einer stringenten und konsequenten Wohnungspolitik bewertet werden kann".

Und nicht nur das - mehrere große Projekte stehen zudem „auf Sicht" vor dem Abschluss, so dass der Boom in den kommenden Jahren weiter anhalten wird. Rolf Frankenberger: „Damit besteht eine stille Reserve von 1.844 Wohnungen an genehmigten, aber noch nicht fertig gestellten Bauvorhaben". Zentrale Herausforderung bleibt jedoch trotz aller ergriffenen Maßnahmen die soziale Wohnraumversorgung. Bereits heute sind nur noch sieben Prozent aller

Wohneinheiten öffentlich gefördert, 56 Prozent dieser Wohneinheiten fallen in den kommenden zehn Jahren aus der Bindung.

Rekordjahr im öffentlich geförderten Wohnbausegment

„Dank einer konsequenten Haltung aller Aachener Wohnungsmarktakteure

konnte dennoch im öffentlich geförderten Wohnbausegment das zweite Rekordjahr in Folge verzeichnet werden, in dem mehr als 38 Millionen Euro Landesfördermittel für den geförderten Wohnungsbau eingeworben wurden und damit über dreimal mehr als der Stadt rechnerisch zustehen", erklärte Bürgermeister Norbert Plum, Vorsitzender des Wohnungs- und Liegenschaftsausschusses. Projekte, die in den nächsten Jahren realisiert werden und eine Mindestversorgung an preiswertem Wohnraum für die Aachener Bevölkerung sicherstellen.

Norbert Plum: „Diese Entwicklung ist für mich das Ergebnis einer sehr konsequenten Wohnungspolitik, die unter anderem mit der Neufassung des Quotenbeschlusses, ein deutliches Signal an die Wohnungswirtschaft gesetzt hat". Dazu kam 2019 mit der Wohnraumschutzsatzung zusätzlich noch ein Instrument hinzu, das Wohnraum im Bestand vor Leerstand und Zweckentfremdung wirksam schützen soll. Aktuell wird zudem an einem ersten Standort das Aachener Modell zur kommunalen Wohnungsbauförderung erprobt, das es über die Bindung der öffentlichen Wohnraumförderung hinaus ermöglicht, auch in höherwertigen Lagen preiswerten Wohnraum zu schaffen.

Werkzeugkasten an Gestaltungsmöglichkeiten

Plum weiter: „Damit hat Aachen einen gut sortierten Werkzeugkasten an Gestaltungsmöglichkeiten im wohnungspolitischen Bereich. Es ist ein wichtiges politisches Ziel, für Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen ein bedarfsgerechtes Wohnungsangebot in der Stadt Aachen zu schaffen". Norbert Plum dankte an dieser Stelle den Kollegen und Kolleginnen aller Fraktionen, die im Wohnungs- und Liegenschaftsausschuss  in einer sehr angenehmen Arbeitsatmosphäre zusammengearbeitet haben. „Wir haben mit den verschiedenen Beschlüssen ein ganz herausragendes Ergebnis erzielt". 

Kritisch sah Rolf Frankenberger  im Pressegespräch den Boom der Studierenden-, Klein- und Mikroapartments auf dem privaten Wohnungsmarkt. Ein wohnwirtschaftliches Konzept, das eine hohe Rendite erzielt und inzwischen 40 Prozent der in Aachen geplanten neuen Wohneinheiten ausmacht. „Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie fragil der Hochschulstandort Aachen als studentischer Wohnstandort ist. Aus Sicht des Fachbereichs Wohnen, Soziales und Integration möchten wir nun einmal genau hinschauen, welche Steuerungsinstrumente die Stadt nutzen kann, um regulierend auf diesen Aufwuchs reagieren zu können".

Rasante Preiserhöhungen auf dem freien Wohnungsmarkt

„Ich bin ein bisschen besorgt, wenn ich auf den freien Wohnungsmarkt schaue. Die Preise gehen hier rasant hoch", so Frankenberger weiter. Der mittlere Angebotsmietpreis sei in den vergangenen zehn Jahren um fast 50 Prozent gestiegen. Zwar liege er mit fast neun Euro pro Quadratmeter immer noch unter den Vergleichsstädten Bonn, Münster und Köln, jedoch nähere sich die Miete in Aachen diesen nordrheinwestfälischen Schwarmstädten immer weiter an. Frankenberger: „In der Folge stehen für Mehrpersonenhaushalte im Transferleistungsbezug kaum noch geeignete Wohnungsangebote im Stadtgebiet zur Verfügung. Aber auch für Geringverdienende, Seniorinnen und Senioren sowie Familien wird es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden".

Bauland zur Schaffung von neuem Wohnraum ist in Aachen ein immer selteneres Gut. Die Zahl der Baugenehmigungen liegt zwar im Langzeitvergleich seit 2013 in Aachen recht hoch. Im Berichtsjahr 2019 des aktuellen Wohnungsmarktberichts ist jedoch mit nur noch 578 genehmigten Wohnungen schon im dritten Jahr in Folge im Neubau ein Rückgang zu verzeichnen. Dies könnte, so der Bericht, auf die zunehmende Flächenknappheit zurückzuführen sein und ein Abschwächen des Baubooms prognostizieren. Dana Duikers, Abteilungsleiterin „Planung" im Fachbereich Wohnen, Soziales und Integration: "Gleichzeitig wissen wir, dass die Prognosen einen weiteren Zuwachs der Bevölkerung vorhersagen. Die Mietpreisentwicklung und die geringe Leerstandsquote sprechen eine deutliche Sprache: der Druck auf den Wohnungsmarkt hält unverändert an und mittel- und langfristig reichen im Stadtgebiet die Flächenpotenziale nicht mehr aus".

Komplexe Antworten auf komplexe Herausforderungen

Trotz dieses Werkzeugkastens an wohnungspolitischen Instrumenten bleibt die Lage also angespannt. Was fehlt, sind komplexe Antworten auf komplexe Herausforderungen. Um trotz aller skizzierten Herausforderungen das gesamtstädtische Ziel, für Menschen in jeder Lebenslage ein angemessenes

Wohnraumangebot vorzuhalten, zu erreichen, bedarf es also kluger Strategien und einer engen Abstimmung aller relevanten Akteure. Als Gesamtstrategie schreibt die Stadt Aachen dazu derzeit in einem breiten partizipativen und interdisziplinären Prozess das Aachener Handlungskonzept Wohnen fort.

„Das kommunale Handlungskonzept Wohnen ist dabei ein zentrales Steuerungsinstrument, das ausgehend von der lokalen Wohnungsmarktsituation, zukunftsorientierte Zielsetzungen und Maßnahmen entwickelt und in einer abgestimmten Gesamtstrategie bündelt", erklärte Dana Duikers. In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung der RWTH Aachen und Professor Dr. Agnes Förster fand entsprechend im Juni ein erstes Fachforum mit Vertretern und Vertreterinnen der Ratsfraktionen, der Wohnungswirtschaft, den Sozialverbänden, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Mieterschutzverein sowie der Verwaltung zum Thema „Soziale Wohnraumversorgung und Qualitätssicherung im Bestand" statt.

Im August folgte ein zweites Fachforum mit dem Themenschwerpunkt „Baulandaktivierung und Baulandentwicklung", bei dem interkommunale Erfahrungsberichte mit Impulsreferaten aus Frankfurt, Solingen und von NRW Urban im Mittelpunkt standen. Ein drittes Fachforum zum Thema „Qualität und Quartier" wird gerade vorbereitet. Duikers: „In den bisherigen Foren wurde deutlich, dass bei Neubauprojekten quartiersscharf entschieden werden muss, welche Wohnungstypen, Zielgruppen und Marktsegmente am jeweiligen Standort einen Mehrwert für eine zukunftsgerichtete Stadtentwicklung darstellen. Was in der Beverau funktioniert muss noch lange nicht für den Driescher Hof richtig sein und umgekehrt". Zudem finden aktuell Abstimmungen zu zwei Sonderformaten statt, die die Themen „Hochschulentwicklung" und „(Eu-)Regionale Wohnraumentwicklung" im Blick haben und bei denen ein Einbezug weiterer Akteure auf überregionaler Ebene angestrebt wird.

Ergebnisbericht des partizipativen Verfahrens

Ein Ergebnisbericht dieses partizipativen Verfahrens wird durch den Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung der RWTH Aachen gemeinsam mit der Verwaltung im Frühjahr 2021 in einer öffentlichen Veranstaltung vorgestellt und um Feedback gebeten. Auf Basis der öffentlichen Diskussion und der Hochschulempfehlung erfolgt dann die Fortschreibung des Handlungskonzepts Wohnen. Eine politische Beschlussfassung wird für Herbst 2021 angestrebt.

Wohnungsmarktbericht 2020

Eine gedruckte Ausgabe des Wohnungsmarktberichts 2020 kann beim Fachbereich Wohnen, Soziales und Integration der Stadt Aachen unter der Telefonnummer 0241/432-56306 oder der Mail-Adresse komwob@mail.aachen.de angefordert werden. Im Internet ist der Wohnungsmarktbericht ab sofort unter www.aachen.de/wohnungsmarktbericht zu finden.