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StädteRegion Aachen. Über 500 Menschen waren jetzt auf Einladung des städteregionalen Bildungsbüros zu Gast im Krönungssaal, um die Kulturwissenschaftler Jan und Aleida Assmann im Gespräch zu hören. Bei der Veranstaltung „Identität entsteht nicht durch Leugnen, Ignorieren oder Vergessen" ging es um die Frage, wie der Umgang mit der eigenen Geschichte eine Gesellschaft prägt.

Foto (Barbara van Rey, StädteRegion Aachen):

Meinungsvielfalt, Menschenrechte und ein verantwortungsvoller Umgang mit dem eigenen historischen und kulturellen Erbe – das sind nur einige Themen, die Jan und Aleida Assmann (3. u. 4. v. links) erforschen und vorantreiben. Markus Terodde, Dezernent für Jugend, Bildung und Strukturentwicklung (rechts) begrüßte das Forscherpaar in der BildungsRegion

Am Beispiel des sich im Laufe der Zeit verändernden Umgangs mit dem Holocaust sprach das Forscherpaar darüber, was die Erinnerung einer Gesellschaft mit Verantwortung, Werten, Identität und Demokratie zu tun hat. Dabei bot schon das Format auf der Bühne selbst eine Antwort: Der Dialog der beiden Kulturwissenschaftler mit Moderator Martin Schult war geprägt von klaren Gedanken, vorgetragen aus einem großen Wissensfundus und mit Humor. Die Aufmerksamkeit, mit der die über 500 Zuhörerinnen und Zuhörer – Bildungsverantwortliche, Schüler, Privatpersonen – dem Gespräch folgten, war fast greifbar.

Gerade vor dem Hintergrund des wachsendem Populismus, antisemitischer Vorfälle und gesellschaftlicher Spaltung ist die Frage aktueller denn je, was unsere Gesellschaft zusammenhält und was eine konstruktive Erinnerungskultur bewirken kann. Werden die Verbrechen des Nationalsozialismus verleugnet, kleingeredet oder weggeschoben? Oder gibt es ein gemeinsames Erinnern, das eine Basis für Gemeinschaft, Solidarität und Verantwortung schafft? Dass Deutschland mit der Holocaust-Gedenkstätte in Berlin die Erinnerung an dunkle Kapitel der eigenen Geschichte wachhält, sei laut Jan Assmann in der Tat ein nie dagewesener Schritt. „Kein anderes Volk hat ein Denkmal gebaut, das an seine schlimmsten Verbrechen erinnert. Aber im Ansehen anderer Nationen hat uns das unsere Ehre zurückgebracht, unser Gesicht wiederhergestellt." Aleida Assmann betonte, dass die Nation kein heiliger Gral sei, der vor Befleckung und Entweihung – Stichwort „Vogelschiss" – zu retten ist. Eine Nation sei eine Gemeinschaft von Menschen, die sich auch an beschämende Episoden ihrer Geschichte erinnert und Verantwortung übernimmt. Hier wies sie auf eine wichtige Unterscheidung hin: „Beschämend ist allein diese Geschichte, nicht aber die befreiende Erinnerung an sie, die wir mit den Opfern teilen."

Was kann man also tun, um der Wut und dem wachsenden Hass auf Minderheiten und Schwächere entgegenzuwirken, den Populisten – nicht nur in Deutschland – weiter anfachen? Vor allem vor diesem Hintergrund ist es ist immer noch und weiterhin wichtig, über den Holocaust zu reden, sich zu erinnern und zu fragen: Was ist passiert? Dabei geht es nicht um die Frage von Schuld, sondern darum, aus der Geschichte zu lernen, damit zukünftige Generationen dieselben Fehler nicht noch einmal begehen.

Die Gäste konnten viele Anregungen dafür mitnehmen: Versuchen zu begreifen, was geschehen ist und warum es geschehen konnte. Den Blick auf den einzelnen Menschen nicht verlieren, vor allem was die Opfer betrifft. Das Geschehene nicht verleugnen, sondern zum Teil der eigenen nationalen Identität machen und Verantwortung dafür übernehmen. Immer auch einen Bezug zur Gegenwart knüpfen, damit das Erinnern nicht seine Wirkung verliert. Solidarität, Mitmenschlichkeit und Anteilnahme als Tugenden begreifen, die eine Zivilgesellschaft ausmachen. Und nicht schweigen, sondern sich mutig einsetzen für Demokratie und Meinungsfreiheit. Und das mit Respekt und Sachverstand, wie Aleida Assmann betonte: „Demokratie lebt nicht vom Streit, sondern vom Argument." Die Stimmen auf der Bühne waren nicht laut, aber deutlich: Nur eine Gesellschaft, die aus ihrer Vergangenheit lernt, kann in Frieden und Freiheit leben.

Partnerschaften in der historisch-politischen Bildung fördern

Im Arbeitsbereich „Historisch-politische Bildung" fördert das Bildungsbüro die Zusammenarbeit von Kitas, Schulen, und Jugendeinrichtungen mit außerschulischen Lernorten in der Region, zum Beispiel dem Internationalen Platz Vogelsang. Durch diese Zusammenarbeit werden historische Ereignisse für Jugendliche oft anschaulicher und besser begreifbar. Sie finden Antworten auf die Frage, was Geschichte mit ihnen persönlich zu tun hat und was historische Verantwortung bedeutet. Weitere Informationen sind unter www.staedteregion-aachen.de/kubis zu finden.

Die Veranstaltung „Identität entsteht nicht durch Leugnen, Ignorieren oder Vergessen" hat in Kooperation mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und im Rahmen der Reihe „10 Jahre Bildungsnetzwerk" stattgefunden.