Alsdorf

Alsdorf. In welchem Zustand befindet sich das Alsdorfer Luisenbad? Auf diese Frage kann Alsdorfs Bürgermeister Alfred Sonders jetzt zwei Antworten geben, nachdem das lange erwartete Ergebnis der Grundlagenermittlung  auf dem Tisch liegt. „Unser Hallenbad kann weiterhin genutzt werden", lautet die erste Antwort. Die zweite Antwort: „Trotzdem sind die Tage des Luisenbades in seinem jetzigen Zustand gezählt." Das 1959 errichtete Alsdorfer Hallenbad sei wie viele andere Bäder dieser Bauzeit in die Jahre gekommen und weise zahlreiche Schäden auf, wie die Machbarkeitsstudie des Büros GSF aus Hamm belegt. Diese Expertise  listet die Schäden detailliert auf. Dienstag hat der Bürgermeister die Fraktionen des Stadtrates vor Ort informiert und festgestellt: „Ich bin froh, dass wir nach dieser notwendigen Prüfung  jetzt endlich Klarheit und eine fachlich fundierte Entscheidungsgrundlage haben." Er schlägt vor, dass der Rat der Stadt im Mai eine Grundsatzentscheidung zum Luisenbad treffen soll.

Für diese Grundsatzentscheidung gebe es drei Alternativen.

Die erste Alternative sei eine umfassende Sanierung, deren Kosten auf rund elf Millionen Euro geschätzt werden. Sonders betont: „In dieser Summe sind 30 Prozent finanzielle Risiken, die eine Altbausanierung mit sich bringt." Niemand könne Gewähr dafür übernehmen, dass dieser Zuschlag ausreichend ist.

Der zweite Weg wäre, dass die Stadt ein neues Hallenbad an einem anderen Standort baut. Das hätte den Vorteil, dass der Schwimmbetrieb, im Gegensatz zur Grundsanierung, fortgeführt werden könne. Ein solcher Neubau nach standardisierten Modellen werde mit rund zwölf Millionen Euro veranschlagt.

Wenn nichts geschehe, könnte das mittlerweile 60 Jahre alte Luisenbad noch etwa fünf Jahre mit zusätzlich hohem Erhaltungsaufwand betrieben werden. „Dann müsste ich das Bad aus technischen Gründen wohl  schließen und Alsdorf stünde ohne Hallenbad da", kommentiert Alfred Sonders eine Alternative, die für ihn nicht in Frage komme. Der Bürgermeister hat daher die Gemeindeprüfanstalt NRW beauftragt, diesen Abwägungsprozess mit einer umfassenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zu begleiten,  damit dem Rat im Mai die wirtschaftlichste Alternative zur Entscheidung vorgelegt werden kann.

„Wir brauchen in Alsdorf ein Hallenbad für unsere Schulkinder, für unsere Vereine und alle unsere Bürgerinnen und Bürger", lässt Sonders keinen Zweifel daran, welchen Weg er mit dem Rat der Stadt gemeinsam gehen will. Schwimmen gehöre für ihn zur kommunalen Daseinsvorsorge einer Stadt mit 47000 Einwohnern. Alsdorfs Bürgermeister will dem folgen, was im Schulentwicklungsplan und im Sportstättenentwicklungsplan der Stadt festgeschrieben ist. Das Bad wird von 14 Schulen in städtischer Trägerschaft mit rund 4 700 Schülern genutzt. 2017 besuchten rund 18 000 Menschen das öffentliche Familienbad einschließlich rund 7600 Besuchen durch Vereinsmitglieder. Zusätzlich wurden rund 4000 Besucher bei Kursen im Hallenbad gezählt. Fünf Vereine treiben in Alsdorf Schwimmsport.

Zuletzt wurde das Bad Ende der 90er Jahre für damals rund 4 120 000  D-Mark  attraktiviert und modernisiert. 1998 wurde die Maßnahme abgeschlossen. Gebaut als Stahlbeton-Skelett-Konstruktion mit einer aufwendigen 3-Punkt-Lagerung des Stahlbeton-Beckenkörpers sollte den Besonderheiten durch den Bergbau in Alsdorf Rechnung getragen werden. Daher kam ein besonders druckfester Beton für den Beckenkörper zur Ausführung, der die Zeit bis Mitte der 90er Jahre schadlos überstanden hat.

1996 begannen die Planungen zur „Modernisierung und Attraktivierung" des Hallenbades. Die damaligen Stadtväter wollten den Anforderungen an ein modernes Bad Rechnung tragen. Der Beckenkörper wurde umgebaut, sodass Wasser und Fußboden auf gleichem Niveau lagen. Die Außenhaut wurde mit einem Wärmedämm-Verbundsystem an den Außenwänden und einer neuen Dachdämmung und -Abdichtung versehen. Große, schrägverglaste Fensterflächen an den Giebelflächen brachten mehr Licht in den Baukörper, alle übrigen Fenster wurden ebenfalls erneuert (Holzrahmen). Es wurde ein Kleinkindbereich eingerichtet. Im Bereich zur Luisenstraße wurden Räume für eine Gastronomie geschaffen. Der Eingang wurde auf die Seite verlegt und „barrierefrei" hergerichtet.  Auch in eine neue Lüftungs- und Heizungsanlage wurde investiert.

Doch die nächsten 20 Jahre gingen auch am Alsdorfer Hallenbad nicht spurlos vorüber. Anfang 2017 wurden Abplatzungen an der Untersicht der Decke des Kellergeschosses festgestellt. Dies wurde zum Anlass genommen, alle Bereiche des Bades einer genauen optischen Begutachtung zu unterziehen. Bei dieser ersten Überprüfung wurden diverse Mängel  festgestellt: Korrodierte Rundrohre am oberen Beckenumgang (die Tragfähigkeit war allerdings durch darunterliegende nicht beschädigte Stahlrohre sichergestellt), nicht funktionierende Lüftungsanlage, dadurch extrem hohe Luftfeuchtigkeit, extrem angegriffene Fensterkonstruktionen und „blinde" Scheiben. Es gab eine großflächige Benetzung der Beckenwände mit Schwimmbadwasser und „schadhafte Abflussleitungen". Außerdem wurden unsachgemäße Elektroinstallationen im verpachteten Gastro-Bereich festgestellt. Bei einer Besichtigung der Schäden vor zwei Jahren wurde durch Bürgermeister Sonders sofort eine fachliche Begutachtung angeordnet.

Die korrodierten Rundrohre wurden in der Grundreinigungsphase des Bades in den Osterferien 2017 an ihren Fußpunkten zur Sanierung freigelegt und zur Begutachtung geöffnet. Hierbei wurde eine extreme Durchnässung des Estrichs festgestellt, die Ursache des Korrosionsproblems an den Rundrohren. Da die Tragfunktion der Empore durch unbeschadete Rundstahle sichergestellt ist und die korrodierten Rundrohre lediglich als Hüllrohre um die eigentliche Tragkonstruktion angeordnet sind, wurde hier zum Weiterbetrieb des Bades der Korrosionsschutz und der Bodenbelag in den freigelegten Bereichen erneuert.

Die Lüftungsanlage des Bades wurde durch einen Fachplaner für Haustechnik mit Ersatzkomponenten wieder in Stand gesetzt, so dass schon bald eine merkliche Verbesserung der Luftfeuchteproblematik eintrat. Da die übrigen festgestellten Mängel jedoch einer weiteren Begutachtung und Bewertung bedurften, wurde die auf Sport- und Schwimmbadbauten spezialisierte Planungsgesellschaft für Sport- und Freizeitbauten GSF aus Hamm beauftragt. Das Büro GSF führte unter Mithilfe von ebenfalls im Schwimmbadbau versierten Statik- und Haustechnik-Planungsbüros im Sommer und Herbst 2017 eine Bestandsaufnahme des Ist-Zustandes des Hallenbades durch, die ersten Ergebnisse wurden Ende 2017 in einer Machbarkeitsstudie vorgelegt.

Ein wesentlicher Schaden wurde beim Beckenkörper festgestellt. Mangelhafte hydraulische Leistung und Undichtigkeiten der Rinnenkonstruktion führten zu einer langfristigen Benetzung der Beckenaußenwände mit chlorhaltigem Schwimmbadwasser. Fraglich war zu diesem Zeitpunkt, ob die Benetzung die Tragkonstruktion aus Stahl-Beton nachhaltig geschädigt hat. Dies machte eine eingehende Betonanalyse erforderlich.

Auch die Fenster- und Wintergartenkonstruktion aus Holz ist angegriffen. Die Gründe: lange Zeit zu hohe Luftfeuchtigkeit, unzureichende Lüftung und aus heutiger Sicht konstruktiv ungeeignete Ausführung der vorhandenen Fensterflächen. Alle Glasflächen müssen ausgetauscht werden. Außerdem wurden undichte Böden festgestellt durch unzureichend eingedichtete Bodenabläufe an Estrich und Oberboden sowie unterseitig an Abhangdecken. Auch hier sind umfangreiche Sanierungen erforderlich. Und: Durch die Anhebung des Wasserspiegels und Achsveränderung im Zuge der Modernisierung hätte ein darauf angepasster Sprungturm eingebaut werden müssen. Der Sprungturm wurde nach dieser Feststellung durch das Büro GSF umgehend gesperrt.

Da keine unmittelbare Gefahr beim Weiterbetrieb des Bades erkennbar war, entschied die Verwaltung die Betonanalyse des Beckenkörpers in Auftrag zu geben, um belastbare Zahlen für eine Grundsanierung zu erhalten. Beauftragt wurde der Lehrstuhl für Baustoffkunde der RWTH mit der Betonprobennahme und –analyse sowie das Ingenieurbüro Grage, Herford, mit der Wertung der Ergebnisse. Ergebnisse hierzu wurden durch die RWTH Ende Mai 2018 vorgelegt und anschließend durch das Ing.-Büro Grage gewertet.

Das Fazit zur Betonanalyse (Büro Grage): "Die festgestellten Betondruckfestigkeiten lassen auf einen hochwertigen Beton schließen. Die festgestellten Carbonatisierungstiefen in Verbindung mit der vorliegenden Betonüberdeckung der Bewehrung sind unkritisch zu sehen. Beckenumgang und Gründungsbauteile weisen darüber hinaus keine kritischen Chloridwerte auf. Die Beckenkonstruktion wird dagegen in Bezug auf die Dauerhaftigkeit und Standsicherheit kritisch eingestuft. Bei den Beckenwänden wurden hohe Chloridwerte ermittelt. Von diesen geht ein erhöhtes Gefahrenpotenzial für eine mögliche Bewehrungskorrosion aus. Unter dem Aspekt der festgestellten Spannglieder in den Beckenlängswänden wird eine mögliche Instandsetzung der Bauteile unwirtschaftlich beurteilt."

Auf Basis dieser Erkenntnisse hat das Büro GSF in einem weiteren Schritt im Herbst 2018 Sanierungsszenarien mit einer kurzfristigen Perspektive zur Aufrechterhaltung des Badbetriebes für die nächsten 5 Jahre sowie einer Sanierung mit Lebenszeit bis zu 25 Jahre erarbeitet. Angesichts des Zustandsbilds ist der Beckenkörper einer engmaschigen optischen Kontrolle zu unterziehen und

zur Aufrechterhaltung des Badbetriebes für die nächsten ca. 5 Jahre mit erhöhten Unterhaltskosten von bis zu 5 Mio. Euro zu rechnen. Dabei wurde mit Blick auf das Risiko eines Nutzungsausfalls des Bades auch eine provisorische Stabilisierung der Beckenwände mit einer „Gurtlösung" für rund 1 Mio. Euro diskutiert, die einer Kosten-Nutzen-Relation jedoch kaum standhalten kann.

Auch für das Sanierungszenario mit einer Lebenszeit für bis zu 25 Jahre ergibt sich aus dem o.g. Befund die Notwendigkeit zum Einbau eines komplett neuen tragfähigen Beckenkörpers, was sich im Bestand mit erheblichem Bau- und Kostenaufwand niederschlägt.

Die sich abzeichnenden Sanierungsbeträge haben die Verwaltung in der Folge veranlasst, auch ein Neubauszenario mit den heute allgemein üblichen Badstandards (neben einem Schwimmerbecken mit Sprunganlage auch separates Lehrschwimmbecken, Kleinkindbereich, Umkleide- und Sanitärbereiche auf einer Ebene barrierefrei) in die möglichen Variantenbetrachtungen mit einzubeziehen. Um die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zu plausibilisieren und auf sichere Beine zu stellen, war es dem Bürgermeister dabei besonders wichtig, die Gemeindeprüfungsanstalt mit ihrem erfahrenen Blick von außen den Prozess zur Variantenbetrachtung durchleuchten zu lassen.

Diese Ergebnisse sollen ebenfalls rechtzeitig bis zur Ratssitzung im Mai vorliegen.