Stolberg

Zum 900jährigen Jubiläum der Kupferstadt Stolberg präsentiert das Stadtarchiv monatlich ein Archivale aus einem Stadtteil. Von A wie Atsch bis Z wie Zweifall werden in dreizehn Folgen Stadtteilgeschichten erzählt. Aus dem Stadtteil Schevenhütte liegt leider keine historische Annonce aus dem ‚Stolberger Generalanzeiger' vor.

Das Automobil war 1886 erfunden worden und sein Siegeszug setzte endgültig nach dem Ersten Weltkrieg in Europa ein. Automobilisten waren wohlhabend und kamen auf dem Weg in die Sommerfrische und erholende Natur durchs beschauliche Schevenhütte. Dort hatte der einfallsreiche Geschäftsmann Johann Josef Wirtz mit einem geschickten Kniff das Casino-Restaurant gegen den Widerstand der Konkurrenz als achte Gaststätte im Ort eröffnet, die er 1926 mit einer Tankanlage für Automobile ausstattete.

Gemäß Beschreibung in der Akte GR 1245 wurde direkt vor der Freitreppe zur Gaststätte in der damaligen Dorfstraße 80, heute Nideggener Straße, eine Benzinpumpenanlage samt 2000-l-Tank im Untergrund erbaut. Heutige Treibstofftanks haben ein Volumen von bis zu 90.000 Litern. Die Motorisierung fing klein an. 1926 waren 200.000 Autos auf Deutschlands Straßen unterwegs, die den Preis eines kleinen Hauses hatten. Heute sind über 46 Mio. PKW auf Deutschlands Straßen zugelassen. Günstiger wurde der Erwerb mit dem ersten deutschen Massenmodell, dem Opel ‚Laubfrosch' ab 1924. In Stolberg war Emil Orgler, Direktor der Zinkhütte in Münsterbusch, 1895 der erste Automobilbesitzer, als zweiter folgte Moritz Kraus, der sich neben der Burg und der Jagd auch für moderne Technik begeisterte.

Typisch waren die einfachen Tankstellen vor Gaststätten, Werkstätten oder Läden auf dem Bürgersteig, größere Anlagen mit eigenem Gebäude und Schutzdach setzten sich erst nach und nach durch. Natürlich mit Tankwart und Service. Manch motorisierter Hotelgast in Schevenhütte, der die Vorzüge des Wehbachtals oder des Meroder Waldes suchte, vielleicht auch den Kahnweiher oder später das Freibad Jägerbusch angesteuert haben könnte, wird seinen Wagen dort mit Benzin der ‚Rhenania-Ossag' getankt haben. 1924 hatte die Mineralölgesellschaft in Neuss ihre erste Zapfsäule aufgestellt und erhielt 1947 den Namen ‚Deutsche Shell AG'.

Das Aachener Gewerbeaufsichtsamt übersandte der Gemeindeverwaltung in Mausbach die (für heutige Verhältnisse) kurze Liste von vierzehn Punkten, die für den sicheren Betrieb Bedingung waren. Darunter eine Erdung der Apparatur, entsprechende Druckfestigkeit des Tanks und die vorgeschriebene Tiefe von mindestens einem Meter unter der Erdoberfläche.

Trotz der wenigen Autos auf Deutschlands Straßen, erreichte die Tankstellendichte 1939 ihren absoluten Höhepunkt mit 60.000 Einrichtungen – heute sind es nur knapp 15.000. Es bildete sich eine eigene, moderne Architekturform, von denen wenige Exemplare erhalten und zu wenige unter Denkmalschutz stehen. Tankstellen sind ein Phänomen der Alltagsgeschichte, das in Schevenhütte vor dem Haus in der Nideggener Straße längst nicht mehr existiert. Wann die Tankstelle den Betrieb einstellte, verrät die Akte leider nicht. Die beigefügte technische Zeichnung der Mineralölgesellschaft als Betreiberin, die laut Akte für die Nutzung des Gehsteigs jährlich fünfzig Mark an die Gemeinde Gressenich abführen musste, zeigt die Zapfsäule mit typischer Beleuchtungskuppel als Werbesignal. Historische Zapfsäulen u. a. sind in der Ausstellung ‚Turbo, Traffic, Transport' im Museum Zinkhütter Hof zu sehen, zweckentfremdete Tankstellenarchitektur der 1950er und 1960er Jahre an mancher Straßenkreuzung.

Das Stadtarchiv beherbergt und sammelt als Historisches Kompetenzzentrum und ‚Gedächtnis der Stadt' Akten, Urkunden, Bilder, Bücher, Zeitungen, Nachlässe und andere Sammlungen der Stadtgeschichte. Historische Unterlagen aus allen Stadtteilen stehen dort interessierten Bürgern für Forschung, Wissenschaft und Bildungsarbeit zur Verfügung.