RWTH

Chemiker der RWTH Aachen vermuten, dass meteorische Ereignisse die Moleküle erzeugt haben könnten, die die Entstehung des Lebens auf der Erde ermöglichten. In ihren Experimenten zeigen sie erstmals, dass die mechanische Energie, die beim Einschlag eines Meteoriten freigesetzt wird, einfache chemische Stoffe in Aminosäuren umgewandelt haben könnte, wie sie nun in einer Veröffentlichung in der renommierten Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ erläutern.

Bislang gibt es, so zeigt es die Veröffentlichung auf, verschiedene Theorien über die Umwandlung einfacher chemischer Stoffe in Aminosäuren, Lipide, Kohlenhydrate und Nukleinsäuren auf der frühen Erde. Diese weisen beispielsweise der Aktivität hydrothermaler Tiefseequellen vor 3,5 Milliarden Jahren oder der vulkanischen Aktivität im Hadaikum eine wichtige Rolle zu. Nun jedoch kam ein Team um Jose Hernández vom Institut für Organische Chemie (IOC) der RWTH Aachen zu dem Ergebnis, dass ein Meteoriteneinschlag die Entstehung der ersten Aminosäuren aus einfachen Bausteinen verursacht haben könnte.

Die bei einem solchen Ereignis freigesetzten mechanischen Kräfte sowie Reibungsenergie könnten, so die Erkenntnisse aus den Experimenten, zu den entscheidenden chemische Reaktionen geführt haben – ein Zusammenhang, der in der sogenannten Mechanochemie untersucht wird. In diesem Bereich der Chemie werden Reaktionen zwischen Stoffen ohne Zuführung von Lösungsmitteln oder hoher Temperaturen ausgelöst – dies geschieht beispielsweise durch die Einwirkung hoher mechanischer Drücke in sogenannten Kugelmühlen, den Reagenzgläsern des Mechanochemikers.

Die Idee, dass Reibung zwischen Steinen zu chemischen Reaktionen auf der frühen Erde geführt haben könnte, kam Hernández, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Dr. Carsten Bolm, während einer Reise nach Rom: „Ich stand vor dem Kolosseum. Alle anderen machten Fotos, ich aber interessierte mich eher für die sehr runden Steine am Boden“, berichtet Hernández gegenüber der Zeitschrift „Chemistry World“. Er nahm demnach einige dieser Steine mit nach Hause und stellte fest, dass sie sich gut als Ersatz für die zumeist metallischen Mahlkugeln eigneten, die normalerweise bei seinen mechanochemischen Experimenten zum Einsatz kommen.

„Es gibt zahlreiche Studien, die sich mit Meteoriten als Träger von Materialien beschäftigen, die auf diesem Weg auf die Erde gelangen. Wir aber interessierten uns eher für die mechanische Energie, die beim Aufprall von Meteoriten bestimmte chemische Systeme aktiviert haben könnte“, erklärt Hernández der „Chemistry World“ weiter. Das Team simulierte also diesen Prozess – etwa eineinhalb Stunden später waren Vorstufen der Aminosäuren, sogenannte α-Aminonitrilen, entstanden.

Dass diese Reaktion überhaupt stattfand, war für Hernández und sein Team durchaus überraschend. Denn es fehlte ein zentraler Bestandteil: Cyanid. Obwohl Kaliumhexacyanoferrat als mögliche Quelle auf der frühen Erde existiert haben könnte, ist es als Stoff sehr stabil und setzt erst bei extrem hohen Temperaturen Blausäure frei. Das Team um Hernández versucht nun zu ergründen, ob auch andere zentrale präbiotische Moleküle, wie zum Beispiel Nukleinbasen oder Cyanamid, mit mechanochemischen Ansätzen hergestellt werden können.