RWTH

Der Physiker Dr. Alexander Schmidt kam mit einem ERC Grant an die RWTH Aachen und erhielt nun eine Heisenberg-Professur. Dr. Alexander Schmidt ist überzeugt, dass es in der Natur etwas Grundlegendes gibt, das die Menschheit – noch – nicht verstanden hat. Der Physiker nennt es faszinierend, genau an dieser Stelle forschen zu können und tut dies seit ein paar Wochen an der RWTH Aachen. Er sucht einerseits nach Axionen, also noch hypothetischen und weder entdeckten noch bewiesenen Elementarteilchen, die das Phänomen der Dunklen Materie erklären könnten. Andererseits will er die Eigenschaften des 2012 entdeckten Higgs-Bosons verstehen. Möglicherweise wird Letzteres bedeuten, dass das Higgs-Boson, benannt nach dem Nobelpreisträger 2013 Peter Higgs, am Ende doch nicht dem vorhergesagten Higgs-Boson entspricht, auf dem das Standardmodell der Elementarphysik beruht.

Foto: Peter Winandy / ERC-Preisträger und Physiker Alexander Schmidt erhielt eine Heisenberg-Professur an der RWTH Aachen.

„Es ist Forschung an der Schwelle zur Erkenntnis“, sagt Schmidt. Der Physiker wird mit einer Heisenberg-Professur den RWTH-Lehrstuhl für Experimentalphysik III A verstärken. Solche Heisenberg-Professuren werden seitens der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgelobt und bereiten auf wissenschaftliche Leitungspositionen vor. Gekommen ist Schmidt mit einem Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC), der renommiertesten und begehrtesten europäischen Forschungsförderung, nach der Wissenschaftler streben können.

Alexander Schmidt, 40 Jahre alt, geboren in Schwetzingen, Studium in Karlsruhe, leitete zuletzt eine Emmy-Noether-Forschungsgruppe an der Universität Hamburg. Er war dort auf der Suche nach bisher unbekannten, schweren Teilchen, den vektorartigen Quarks. Mit den Mitteln des Consolidator Grants verfolgt Schmidt ein neues Ziel: Er strebt nach der ersten direkten Messung der Kopplung des Higgs-Bosons an sogenannte Charm-Quarks. Das Europäische Zentrum für Kernforschung CERN ist der Ort, an dem Schmidt als Teil einer internationalen Großkollaboration Daten aus dem 27 Kilometer langen Teilchenbeschleuniger gewinnt und in Aachen auswertet. Seit fast zehn Jahren werden diese erhoben. Schmidts Forschung ist Teil des CMS-Projekts. CMS steht für Compact Muon Solenoid, es ist einer der vier Detektoren des CERN. Schmidt hat bereits am Bau des Detektors mitgewirkt, mehr als fünf Jahre verbrachte er vor Ort. Die Auswertung der Messdaten findet nun im Physikzentrum der RWTH statt, sowie in den Rechenzentren der Hochschule, die einen erheblichen Anteil der Rechenkapazitäten des weltweiten LHC Computing Grids bereitstellen.

Dieses Auswerten als Suche nach einer Nadel im Heuhaufen zu bezeichnen, wird der Schwere der Aufgabe bei weitem nicht gerecht. Alle 25 Nanosekunden kollidie-ren Protonen im Teilchenbeschleuniger. Dabei würde rechnerisch jeweils ein Megabyte an Daten entstehen, also 40 Terabyte pro Sekunde. Ein mehrstufiges schnelles Auswahlsystem reduziert diesen Datenstrom auf etwa ein Gigbabyte pro Sekunde. Um diese Datenexplosion – und bislang wurden kaum zwei Prozent der Daten gesammelt, die der Teilchenbeschleuniger am Ende seiner Lebenszeit geliefert haben soll – überhaupt aufnehmen zu können, wurden weltweit Rechenzentren eingerichtet.  Mittels Mustererkennungsverfahren (Machine-Learning-Methoden), also extra entwickelten mathematischen Algorithmen, werden Auffälligkeiten identifiziert.

Schmidt ist optimistisch: Ein neuer Pixeldetektor wurde zum Jahreswechsel 2016/2017 eingebaut, er garantiert bessere Messungen. Ein Jahr wird er noch lau-fen, dann zwei Jahre ruhen, weil der Teilchenbeschleuniger durch langwierige Umbauarbeiten noch leistungsfähiger gemacht werden soll. Bessere Messungen bedeuten bis dahin bessere Daten und erhöhen die Chance, Auffälligkeiten zu entdecken. Und dann? Das Standardmodell der Experimentalphysik ist noch unvollständig. Die Dunkle Materie beispielsweise ist nicht verstanden. Auch die Dunkle Energie gibt Rätsel auf. „Die Teilchenphysik kann nur fünf Prozent der Materie im Universum erklären“, sagt Schmidt. Das Higgs-Boson ist für die weitere Erkenntnis besonders spannend, weil es an alle bekannten massiven Elementarteilchen koppelt, also wahrscheinlich auch an dunkle Materie. „Durch den ERC Consolidator Grant habe ich die Möglichkeit, die besonderen Eigenschaften des Higgs-Bosons zu vermessen  und so ein tieferes Verständnis zu gewinnen“, sagt Schmidt. „Mit der RWTH Aachen habe ich dafür den idealen Partner gefunden.“

Dies gilt auch für die Axionen-Forschung im Rahmen seiner Heisenberg-Professur. „Ich halte es für realistisch, dass das Axion für die Dunkle Materie verantwortlich ist“, sagt Schmidt. Das Teilchen hat eine dermaßen geringe Masse, dass es in Teilchen-beschleunigern wie dem im CERN bislang nicht messbar ist. Eine neue Generation von Messapparaturen gibt der Forschung aber eine neue Perspektive, so Schmidt zuversichtlich.

 

Autor: Thorsten Karbach