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Ausstellung im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen. Seit der Erfindung der Fotografie im 19. Jahrhundert ist das Porträt eines ihrer großen Themen. „Jeder hat seine Aufgabe. Meine ist: Menschen festzuhalten, bevor sie verloren gehen. Die Fotografie: lebenslange Erinnerungsarbeit" – so beschreibt etwa der berühmte Fotograf Stefan Moses seine Arbeit.

Mit rund 100 eindrucksvollen, vorwiegend Schwarzweiß-Fotografien bietet die Ausstellung „Blicke, die bleiben – Fotografische Porträts aus der Sammlung Fricke", die vom 21. Oktober 2017 – 14. Januar 2018 im Aachener Suermondt-Ludwig-Museum zu sehen ist, eine spannende Zeitreise durch die Entwicklung der Porträtfotografie von 1898 bis 2017. Aufnahmen unbekannter Individuen treten in den Dialog mit berühmten Gesichtern.

Wurde zunächst der Malerei alleine die Fähigkeit zugesprochen, die verschiedenen Facetten eines Menschen im Bild zusammenzuführen, hat die Fotografie die Malerei auf diesem Feld rasch beerbt. Zwar suchten die Fotografen im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ihre künstlerische Legitimation noch in „malerisch" anmutenden Aufnahmen zur Verschleierung des technischen Vorgangs, doch erkannten andere wie Edward Curtis oder José Ortiz Echagüe die enormen Chancen des neuen Mediums und hielten in umfangreichen Fotoserien das kulturelle Erbe ihrer Länder fest. Ihre Aufnahmen, die zu den frühesten der Ausstellung gehören, berühren durch ihre ästhetische Kraft wie auch den eindringlich dokumentarischen Charakter. In Deutschland schuf August Sander mit dem konzeptuellen Anspruch einer repräsentativen Gesellschaftsdarstellung seine epochemachende Porträtserie vom Menschen in ihrem Arbeits- und Lebensumfeld.

Einstein in Lederjacke

Die fotografische Avantgarde der 1920er und 30er Jahre setzte dann neue ästhetische und konzeptuelle Maßstäbe. Den Arbeiten Lotte Jacobis widmet die Ausstellung ein vergleichsweise umfangreiches Kapitel. Ihr gelingen zunächst in Berlin und später in den USA meisterliche Porträts, die individuelle Momente durch eine mitunter ungewöhnliche Bildsprache hervorheben. Jacobis Aufnahme von Albert Einstein in der Lederjacke (1938) wurde vom Magazin LIFE für die Veröffentlichung mit der Begründung abgelehnt, die unkonventionelle Darstellung sei für den berühmten Physiker und Nobelpreisträger nicht angemessen. Heute zählt sie zu den bekanntesten Bildern von Einstein. Auch bei ihren Schauspielerporträts folgte Jacobi Prinzipien, die später Susan Sonntag auf den Punkt brachte: „Der richtige Augenblick zur Betätigung des Auslösers ist gekommen, wenn man ein Objekt auf eine neue Weise sieht". Mit seinen außergewöhnlich inszenierten Bildniszyklen markiert später auch Stefan Moses einen Wendepunkt in der klassischen Porträtfotografie.

Vertrautheit zwischen Fotograf und Modell

Robert Lebecks eindringliche Porträts von Romy Schneider entstanden im Auftrag großer Magazine. Dennoch sind sie weniger dem schnelllebigen Fotojournalismus verpflichtet als vielmehr Ausdruck des Vertrauens und der gegenseitigen Wertschätzung zwischen dem Fotografen und der Schauspielerin.

Die Ausstellung zeigt aber auch, dass die Idealisierung des Modells und der Anspruch gesellschaftlicher Repräsentation als Darstellungsform der Porträtfotografie weiterhin bestehen bleiben.

Jeder Mensch – eine kleine Gesellschaft

Und vom Bestreben der Porträtierten, dem Betrachter etwas über sich mitzuteilen, zeugen jene Aufnahmen, die im öffentlichen Raum den einzelnen Menschen als Typus mit all seinen Eigenschaften zwischen skurril und charismatisch zeigen. In diesem Sinne besitzen auch so unterschiedliche Arbeiten wie die von Bettina Flitner und Wilhelm Schürmann einen gemeinsamen Nenner. Auch wenn im

fotografischen Porträt das Individuum im Fokus steht, ist es stets auch Ausdruck kollektiver und kultureller Momente, im Sinne der bei Novalis entliehenen Feststellung: „Jeder Mensch ist eine kleine Gesellschaft".

Die ausgestellten Arbeiten sind eine Dauerleihgabe der Sammlung Fricke im Suermondt-Ludwig-Museum.

Kuratorin: Sylvia Böhmer