RWTH

Aachener Forscher an der Lösung von Jahrzehnte altem Rätsel um kosmische Strahlung beteiligt. Seit den 1960er Jahren ist die Existenz kosmischer Teilchen mit Energien mehrerer Joule bekannt. Es wurde immer wieder darüber spekuliert, ob diese Teilchen aus unserer eigenen Galaxis stammen oder von entfernten extragalaktischen Objekten zu uns gelangen. Nun wurde dieses Rätsel mithilfe kosmischer Teilchen einer mittleren Energie von zwei Joule gelöst, die mit dem größten jemals gebauten Observatorium für kosmische Strahlung, dem Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien, registriert wurden. Aus Deutschland sind neben der RWTH Aachen, das KIT sowie die Universitäten Hamburg, Siegen und Wuppertal an dem Projekt beteiligt. Ein wissenschaftlicher Artikel der Pierre-Auger-Kollaboration zur Lösung dieses 50 Jahre alten Rätsels um die kosmische Strahlung erscheint heute im Science Journal.

Ferne Galaxien als Ursprung

Kosmische Strahlung besteht aus Atomkernen der bekannten chemischen Elemente. Oberhalb von zwei Joule beträgt die Ankunftsrate dieser Teilchen am oberen Rand der Erdatmosphäre nur etwa ein Teilchen pro Quadratkilometer pro Jahr. Derart seltene Teilchen sind nur nachweisbar, weil sie durch sukzessive Wechselwirkungen mit den Atomkernen in der Erdatmosphäre Kaskaden von Elektronen, Photonen und Myonen erzeugen. Diese Teilchen-Schauer bestehen aus mehr als zehn Milliarden Teilchen und bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit in einer scheibenförmigen Struktur durch die Atmosphäre. Ihr Nachweis geschieht am Auger-Observatorium durch das sogenannte Cherenkov-Licht. Die Detektoren sind auf einer Fläche von 3000 Quadratkilometern im Westen Argentiniens ausgebracht. Die mit GPS-Empfängern gemessenen Ankunftszeiten der Teilchen in den Detektoren erlauben es, die Ankunftsrichtungen der Ereignisse zu bestimmen. Durch die Untersuchung der Verteilung der Ankunftsrichtungen von mehr als 30.000 kosmischen Teilchen fand die Auger-Kollaboration eine Überhöhung in eine Richtung, in der die Anzahl an Galaxien höher ist als in anderen Richtungen. Über mehrere Jahre hat Professor Thomas Hebbeker vom III. Physikalischen Institut der RWTH Aachen untersucht, wie mit steigender Anzahl gemessener kosmischer Teilchen immer mehr Teilchen aus einer bestimmten Himmelsrichtung kamen und vergleichsweise weniger aus anderen Himmelsrichtungen. „Die große statistische Beweiskraft dieses Signals ist überzeugend und zeigt die zentrale Bedeutung dieses Ergebnisses für unser Verständnis höchstenergetischer kosmischer Strahlung.“

Suche nach eigentlichen Quellen

Obwohl diese Entdeckung eindeutig den extragalaktischen Ursprung der Teilchen belegt, sind die eigentlichen Quellen noch immer nicht gefunden, da selbst solch energetische Teilchen auf ihrem Weg im Magnetfeld unserer Galaxie um mehrere Grad abgelenkt werden. Um die Quellen selbst zu finden, sollen zukünftig noch höherenergetische Teilchen als in dieser Studie verwendet werden. Professor Martin Erdmann vom III. Physikalischen Institut der RWTH untersucht Ablenkungen kosmischer Teilchen in Magnetfeldern. „Die gemessene Asymmetrie in den Ankunftsrichtungen der kosmischen Strahlung wird durch das galaktische Magnetfeld kaum verändert, daher sind die Chancen noch einmal gestiegen ferne Galaxien als Quellen der Strahlung zu identifizieren“, sagt Erdmann.

Mit finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung arbeiten die Werkstätten des Instituts zusammen mit RWTH-Professor Thomas Bretz bereits am weiteren Ausbau des Pierre-Auger-Observatoriums. Die Wissenschaftler erwarten spannende Forschung mit dem großen Experiment auch für die kommenden Jahre: „Mit unseren mehr als 100 zusätzlichen Detektoren tragen wir dazu bei, die Empfindlichkeit des Observatoriums für die kosmischen Atomkerne noch einmal deutlich zu verbessern“.

Der Artikel im Science Journal ist unter folgendem Link zu finden: http://science.sciencemag.org/content/357/6357/1266