Gerichtsnews

Mit Beschluss vom 16. September 2016, den Beteiligten im Lauf dieser Woche zugestellt, hat die 1. Kammer dem Eilantrag eines Finanzbeamten stattgegeben und dem Land NRW einstweilen untersagt, vier Finanzbeamtinnen bevorzugt zu befördern. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Die Bewerbung um ein öffentliches Amt dürfe nur aus Gründen abgelehnt werden, die durch Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes gedeckt seien. Danach habe jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt (Leistungsgrund­satz). Diesen Anforderungen genüge die Beförderungsentscheidung der Oberfinanzdirektion NRW nicht.

Sie habe die dienstlichen Beurteilungen der im Gesamturteil gleich bewerteten Bewerber - wie hier der Antragsteller und seine vier Kolleginnen - nicht inhaltlich ausgeschöpft, da sie nicht auf die Einzelnoten abgestellt habe. Stattdessen habe die Oberfinanzdirektion ihre Beförderungsentscheidung auf § 19 Abs. 6 Satz 2 und 3 des Landesbeamtengesetzes NRW in der ab dem 1. Juli 2016 geltenden Fassung und damit unmittelbar auf den Grundsatz der Frauenförderung" gestützt. Nach dieser Vorschrift sind Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen.

Diese Regelung begegne durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar sei die Förderung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes grundrechtlich verankert. Dieser verfassungsrechtliche Grundsatz schränke aber die Geltung des Leistungsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Vergabe öffentlicher Ämter nicht generell ein. Es sei mit Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes vielmehr unvereinbar, eine Auswahlentscheidung ohne Ausschöpfung der Erkenntnismittel zur Qualifikation allein am Kriterium Geschlecht auszurichten. Genau das sei aber nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 6 Satz 2 und 2 des Landesbeamtengesetzes vorgesehen. Die Frage, ob es dem Land NRW bereits an der erforderlichen Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des § 19 Abs. 6 des Landesbeamtengesetzes fehlt, hat das Gericht offengelassen.
Gegen den Beschluss kann das Land NRW Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet.


Aktenzeichen: 1 L 616/16